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II

Ziemlich genau neun Monate ist es her, dass Spidergawd ihr Debütalbum veröffentlichten, das auf Anhieb begeisterte und ihren Namen fest in Musikbibliotheken von Freunden des 70er- retroaffinen Stoner Rocks mit progressiven Tendenzen verankerte. Neun Monate Zeit hatte nun das neue Baby der Norweger, um Form anzunehmen, sich auszudifferenzieren und schließlich geboren zu werden. Dabei haben sich die vier Trächtigen in dieser Zeit allerdings keineswegs geschont, intensives Touring stand auf dem Programm. Nun ist es da, liebevoll ‚II‘ getauft worden und wie schon das Debüt ausschließlich in limitierter Vinyl-Edition erschienen.

‚II‘ beginnt, wie ‚I‘ aufhörte. Und zwar genau so – mit einem metallisch-dumpfen Südstaatenblues. Doch anders als bei ‚Untitled‘, dem Abschluss des Debütalbums, explodiert der Opener des Nachfolgers ‚…Is All She Says‘ nach knapp zwei Minuten und schleudert dem Hörer prompt den rotzigen, dreckigen und zugleich brillianten Retrosound entgegen, der so willkommen ist, wie eine warme Dusche an einem saukalten Januarmorgen. Ja, das ist Spidergawd, das ist ihr Sound, ihre Intensität, ihre Unabhängigkeit. Produziert in Eigenregie und abgerundet mit der Stimme Per Bortons, die sich irgendwo in der Hybridisierung von Jim Morrison und John Garcia wiederfindet, bringt die alte Trondheimer Schule einen Sound auf die Platte, wie derzeit kaum ein anderer. Das mag auch an der gelungenen Integration Martin Snustads und seinem Bariton Saxophon liegen, die in beiden Rollen, sowohl als hintergründiger Sound-Support wie bei ‚Tourniquet‘, als auch als Melodieangebende oder sogar Solostimme wie bei ‚Caerulean Caribou‘, wunderbar mit dem Rest harmonieren und dem Gesamtwerk ein Frischesiegel jenseits der gewohnten Gitarre-Bass-Kombinationen aufdrückt.

Nachdem der Opener, sowie die folgenden Tracks ‚Tourniquet‘ und ‚Crossroads‘ wieder einwandfrei überzeugt haben, wird mit dem ‚Fixing To Die Blues‘ ein wenig Tempo und Groove herausgenommen. Der Song kann nicht so recht Anschluss finden, wird als Überleitung zu ‚Caerulean Caribou‘ aber hingenommen, der mit psychedelischen Klängen zunächst auf einen wunderbar in Szene gesetzten Saxophoneinsatz aufwartet, um daraufhin die Rhythmusmaschine anzuschmeißen um sich gemütlich groovend fortzubewegen. Nach einiger Zeit kristallisiert sich das ganze auf eine Melodiespur des Saxophons, die einem ebenso bekannt vorkommt, wie sie unerwartet zum Vorschein kommt. Kein Gesang in diesem Titel, aber ein gelungener Instrumentaltrip, der sich weit über die Grenzen des Erwarteten hinauswagt. Bei ‚Get Physical‘ geht es wieder etwas gewohnter zu, wobei die Details, wie pompös übertriebene Mehrstimmigkeit in kurzen Gesangsparts oder die Bläseruntermalung in verschiedenen Oktaven, den Song erheblich aufwerten. Mit ‚Made From Sin‘ kommt wieder mal richtig Tempo ins Spiel. Endlich darf Schlagzeuger Kenneth Kapstad sich selbst und seine Mitmusiker zur Höchstleistung anheizen, was ihm ausgesprochen gut gelingt. ‚Our Time (Slight Return)‘ ist wiederum mit etwas schwererem Groove behangen und nimmt im Refrain sogar eine barocke, epische Attitüde an. Der letzte Song ‚Sanctuary‘ macht einen ungewöhnlich glatten Eindruck, schmeichelt dem Hörer auf unerwartet unkomplizierte Art und Weise und bringt mit der Folge aus Saxophon- und Gitarrensolo, die entsprechend der Situation mit einem nicht unwesentlichen Schmalzanteil versehen sind, das Album zu einem würdevollen, sogar ein bisschen komischen Ende.

Spidergawd nehmen uns mit auf ihre zweite große Reise. Dabei gibt es wieder einiges zu bestaunen und die Wege zwischen den einzelnen Hörenswürdigkeiten sind auf ein Minimum begrenzt. Die Touring-Eskapaden scheinen der Schwangerschaft keinen Schaden zugefügt zu haben und so präsentiert sich ‚II‘ als ein gesundes, glückliches Zweitgeborenes, das ebenso wie das Debüt zu überzeugen vermag und sogar noch ein gutes Stück an Finesse in der Produktion gewonnen hat. ‚II‘ ist eine Reise, die es wert ist, angetreten zu werden und das einzige, was man vielleicht vermissen könnte, wäre eine längere Etappe, ähnlich des viertelstündigen Epos ‚Empty Rooms‘ auf dem Vorgänger, aber bei einer durchschnittlichen Tracklänge von knapp fünf Minuten ist das schon Meckern auf höchstem Niveau.

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