Soulfire Live!

Dasss Little Steven Van Zandt tatsächlich noch einmal seine Solokarriere anwarf, war eine der schönsten Überraschungen des vergangenen Jahres. Mit „Soulfire Live!“ liegt nun ein während der 2017er Tour mitgeschnittenes Zeugnis der enormen Entertainmentqualitäten von Van Zandt und seinen neubesetzten Disciples Of Soul, angeführt von ex-Helix-Gitarrist Marc Ribler, vor. Seit April bereits digital erhältlich, hat Van Zandt das Album für die CD-Version mit einer einstündigen und – Spoiler! – sehr feinen Bonus-CD aufgestockt.

Der Titel „Soulfire Live!“ verrät es bereits, im Zentrum des Albums stehen die Songs des letzten Studioalbums „Soulfire“. Tatsächlich sind alle zwölf Songs von „Soulfire“ vertreten – erfeulicherweise aber nicht am Stück und in Originalreihenfolge gespielt, so wie das derzeit üblich ist, sondern ordentlich durchgemischt mit Highlights aus Stevens anderen Soloscheiben. Wobei die Auswahl diesbezüglich ein wenig streitbar ist – die synthielastigen „Freedom – No Compromise“(1987) und „Revolution“ (1988) sowie das hart rockende Garagenrock-Album „Born Again Savage“ (1999) werden leider jeweils nur mit einem Song berücksichtigt. Dabei wäre es gerade bei den Spätachtziger-Scheiben interessant gewesen, wie sich Songs wie ‚Love & Forgiveness‘ und ‚Pretoria‘ mit einer echten Bandbesetzung angehört hätten. Das ist aber im Prinzip alles ein reines Luxusproblem – denn das, was Little Steven und seine vierzehnköpfige Band hier präsentieren, ist natürlich trotzdem ganz, ganz großes Kino. Die Mischung aus klassischem Memphis-Soul, knackigem Sixties-Rock und Elementen aus Doo-Wop, Reggae und Hardrock macht nämlich auch auf Konserve jede Menge Laune. Da dürfte sich auch niemand daran stören, dass Van Zandt im Prinzip kein besonders toller Sänger ist – das zwischen Dylan und Southside Johnny liegende Genöle passt aber perfekt zur Musik und ist absolut emotional und authentisch. Ja, und darum geht’s hier ja auch eigentlich: die Bläser stammen eben nicht aus dem Synthie, die Backings kommen nicht vom Band, und einen Clicktrack oder Drumtriggers braucht hier eben auch niemand. Little Steven & the Disciples Of Soul zelebrieren hier die alte Kunst des Musikmachens, wie sie bis in die frühen Achtziger üblich war. Dabei ist Van Zandt mit Sicherheit kein Musiksnob – in seiner Radiosendung „Underground Garage“ stellt er regelmäßig neben vergessenen Schätzen aus der Vergangenheit jede Menge neuer, teilweise ungesignter Bands aller möglicher Stilrichtungen vor. Aber, sein Arbeitsethos mit dieser Band ist eben ein Anderes: Old school as fuck. Und so bekommen eben auch im Original Synthie-dominierte Songs wie ‚Leonard Peltier‘ und ‚Out Of The Darkness‘ die Vollbehandlung mit fetten Bläsern, Hammond-Orgel und souligen Chorsätzen. Das tut den meisten Songs ziemlich gut, lediglich ‚Salvation‘ vom erwähnten „Born Again Savage“ klingt ein wenig zu zahm – da vermisst man doch die Bratgitarren und das spartanische Powertrio-Flair des Originals. Wirklich zu meckern gibt es hier nicht viel. Okay, die Zwölf-Minuten-Version von ‚Down And Out In New York City‘ hat zugegebenermaßen ein paar Längen, auch das Solo von ‚Solidarity‘, ‚Blues Is My Business‘ und ‚Bitter Fruit‘ ufern ein wenig aus – aber auch da passt sich „Soulfire Live“ den klassischen Livealben der Sechziger und Siebziger an, wo auch mal ein ‚Space Truckin“, ‚Whipping Post‘ oder ‚Dazed And Confused‘ eine ganze Plattenseite einnehmen konnte, die ohne entsprechende Rauchwaren eigentlich nicht so richtig viel Unterhaltungswert hatte.

Sehr interessant ist auch die beiliegende Bonus-Disc. Da gibt’s nämlich hauptsächlich Coversongs zu hören, teilweise mit Freunden und musikalischen Idolen Van Zandts eingespielt. Und so wird dann beispielsweise der AC/DC-Klassiker ‚You Shook Me All Night Long‘ plötzlich zu einer groovenden Nummer im besten Mittsechziger-Stax/Volt-Sound, und ‚Merry Christmas (I Don’t Wanna Fight Tonight)‘ von den Ramones wird zur Phil Spector-artigen Wall-Of-Sound-Hymne umgedeutet. Richie Sambora taucht für ein kochendes ‚Can I Get A Witness?‘ (Marvin Gaye) auf. Peter Wolf klingt auf seinem J.Geils Band-Singlehit keinen Tag älter als bei der Originalaufnahme, und Bruce Springsteen hat hörbar Spaß daran, mit der Band sein ‚Tenth Avenue Freeze-Out‘ im Stil von Sam & Dave umzubasteln. Wie auch auf den „regulären“ CDs sprüht hier die Spielfreude nur so aus den Boxen – perfekte Unterhaltung für die letzten Grillparties des Jahres. Da auch der Sound gleichermaßen durchsichtig als auch druckvoll und energiegeladen rüberkommt, kann man „Soulfire Live!“ also jedem Musikfan ans Herz legen, der alte Rock’n’Roll-Tugenden mehr schätzt als digitale Perfektion. Und trifft das nicht eigentlich auf uns alle zu? Also, los, kaufen! Mehr Laune werdet Ihr in diesem Jahr auf keiner anderen CD finden!

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