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Songs For The Dead Live

Es ist eigentlich wirklich verwunderlich, das King Diamonds „kleine Horrorschau“ erst 2019 als visuelles Dokument veröffentlicht wird. Dafür kommt die DVD respektive BluRay „Songs For The Dead Live“ aber immerhin mit zwei kompletten Shows – wenn auch mit identischer Setlist. Einmal wurde auf der großen Bühne des Graspop-Festival gefilmt, die zweite Show stammt aus dem Fillmore-Club in Philadelphia.

Somit ist auch zu verzeihen, dass „Songs For The Dead Live“ ganz ohne Frage eine hundertprozentige Nostalgieveranstaltung geworden ist. Das aktuellste Stück der Setlist, ‚Eye Of The Witch‘, hat bereits 29 Jahre auf dem Buckel, und im Zentrum der Show steht die Performance des kompletten „Abigail“-Albums, erschienen 1987. Jedes von Kings Alben bis „The Eye“ ist mit genau einem Song vertreten, inklusive der ersten beiden Mercyful Fate-Longplayer. Die achtzig Minuten bringen somit also keine Überraschungen oder gar Neues, aber eben ein gnadenloses Klassiker-F(r)euerwerk, das allen Achtziger-Freaks reingehen sollte wie ein kühles Pils. Da aus der „goldenen Ära“ des Metal-Hui-Buh aber keine visuellen Dokumente existieren, geht das fraglos völlig in Ordnung – dank seines Corpsepaint ist King ehedem optisch alterslos, da fühlt man sich selbst gleich auch dreißig Jahre zurückversetzt. Und King hat tatsächlich die „üblichen Verdächtigen“ auch showtechnisch verewigt, ob die olle Grandma im Rollstuhl oder Klein-Abigail,und natürlich gibt’s auch den Knochen-Mikroständer – eben eine klassische King-Diamond-Show, wie man sie sehen will. Das Kasperletheater für Kuttenträger soll aber in diesem Fall nicht wie in manch‘ anderem Fall über musikalische Schwächen hinwegtäuschen. Angeführt vom bewährten Gitarrenteam Andy LaRocque und Mike Wead und Langzeitdrummer Matt Thompson gibt sich Kings Band erwartungsgemäß keinerlei Blöße. Das komplexe Material wird schweinetight und detailreich auf die Bühne gebracht, und King selbst – der heult, singt, krächzt und grunzt seine Geistergeschichten darüber, als hätten wir 1987. Spooky! Anachronistisch wirkt hier nur der fraglos zeitgemäße, ziemlich perfekte Sound – ein wenig zu perfekt sogar schon, denn gelegentlich fragt man sich dann doch, ob da alles wirklich live so passiert ist. Speziell, wenn man bisweilen drei verschiedene Kings übereinander gelayert hört, kann man das auch nicht mit den Backings von Kings Gattin Livia Zita komplett wegerklären. Vielleicht waren’s aber auch die Geister von Melissa oder Missy höchstpersönlich, die der Band da unter die Arme gegriffen haben.

Das kann aber den Spaß am Gebotenen nicht verderben. Songs wie ‚Welcome Home‘, ‚Sleepless Nights‘ (als Eröffnungs-Doppel!), ‚Come To The Sabbath‘, ‚The Family Ghost‘ und ‚Omens‘ gehören halt ganz diskussionsfrei zum Besten, was die Achtziger an anspruchsvollem Metal zu bieten hatten und klingen auch heute noch völlig eigenständig und unkonventionell. Im Übrigen halte ich es da mit Mike Portnoy, der vor einer Weile schon dafür plädierte, King Diamond und Mercyful Fate endlich ihren Platz als wichtige Vorreiter des progressiven Metal zuzugestehen – wenn man die Mittachtziger Queensryche und Fates Warning als Progmetal-Vorreiter akzeptiert, muss man das bei den mindestens genauso vertrackten, von virtuosen Musikern dargebotenen und weit unkonventioneller komponierten Epen des King erst recht tun. Auch die Bildregie ist ziemlich ideal ausgefallen. Auch wenn sich mancher vielleicht an den relativ schnellen Schnitten stören könnte, es ist nun mal nicht einfach, das theatralische Geschehen von King und seinen „schauspielernden“ Gästen einzufangen und trotzdem zu jedem imposanten Break auf den Fingern des jeweiligen Musikers zu kleben. Welche der Shows man bevorzugt, ist persönliche Geschmackssache – aufgrund der imposanten Festivalkulisse ist das Pinkpop-Konzert aber vielleicht etwas beeindruckender geraten, während bei der Fillmore-Show das Publikum sichtbar aus Die-Hard-Fans besteht, die jede Sekunde begeistert abfeiern.

Für seine erste DVD/BluRay-Veröffentlichung hat King Diamond also ein ziemlich duftes Paket geschnürt, das für die jahrelange Wartezeit durchaus entschädigt. Nun wäre es aber auch Zeit, mal wieder eine neue Horror-Oper aus dem Hause Petersen…

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