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Senjutsu

Selbst langjährige Iron-Maiden-Fans dürften sich im ersten Moment wundern. Die Briten brechen auf ihrem 17. Longplayer mit einer langjährigen Tradition: Kein Vollgas zu Beginn, sondern mit dem Titeltrack „Senjutsu“ (Parlophone / Sanctuary) ein langsamer und im ersten Moment verquerer Einstieg. Das Sextett kann also doch noch überraschen. Das gilt übrigens ebenso für den Albumtitel. Übersetzt bedeutet er so viel wie „Taktik und Strategie“ und ist tatsächlich der erste Plattenname der Metal-Legenden, der nicht in Englisch ist.

Nach so viel Neuem auf den ersten Blick und dem ungewohnt atmosphärisch-drückenden und deswegen starken Opener geht es erstmal in typischer Manier von Iron Maiden weiter. „Stratego“ ist ein etwas flotterer galoppierender Kopfnicker. Gemeinsam mit „Days of Future Past“ ist er das einzige Lied, das in seiner kurzen Kompaktheit von vorne bis hinten soetwas wie Geschwindigkeit vorgaukeln möchte.

Denn „Senjutsu“ dominieren lange Tracks. Nicht umsonst müssen die zehn Songs mit circa 80 Minuten Spielzeit auf zwei CDs aufgeteilt werden. Vorherrschend ist dabei das Mid-Tempo. Dieses führt auch direkt zu dem Problem, das über die gesamte Spielzeit immer wieder auftaucht: „The Writing on the Wall“ hat ein schönes Adrian-Smith-Riff, „Lost in a Lost World“ tolle mehrfache Gesangsspuren von Bruce Dickinson und „Death of the Celts“ eine nette Melodie. Dennoch wirken alle drei künstlich in die Länge gezogen. Es lässt sich fast schon Däumchen drehen, bis alle drei Gitarristen hintereinander mit ihren Instrumenten ein paar Soli abarbeiten dürfen. Es ist Standard-Iron-Maiden-Kost und schon zigmal von ihnen komponiert worden. Der Überraschungseffekt, wie er beispielsweise auf dem Vorgängeralbum „The Book of Souls“ häufiger zu hören war, fehlt. Die Gleichförmigkeit überwiegt. Da hilft es erst recht nicht, dass sechs der zehn Songs mit einem typischen Steve-Harris-Akustik-Intro á la „The Clansman“ anfangen. In der Häufigkeit wirkt es einfach redundant.

Dass Iron Maiden ihr Handwerk nicht verlernt haben, zeigen sie in der gelungenen Ballade „Darkest Hour“ sowie in „The Time Machine“, „The Parchment“ und „Hell on Earth“. Die drei letztgenannten sprühen vor Spielfreude und Abwechslungsreichtum: Die Wechsel von Takt, Rhythmus, Geschwindigkeit und Melodien treiben einem ein breites Grinsen ins Gesicht. Das sind Iron Maiden des 21. Jahrhunderts in Bestform!

So ist „Senjutsu“ ein Album geworden, das vor allem etwas für diejenigen ist, die die progressiveren Töne der Briten mögen. Doch selbst bei den genannten Schwachpunkten muss allerdings eines zugegeben werden: Verdammt nochmal, es sind immer noch Iron Maiden! Die können gar nicht so viel falsch machen. Ihre schwachen Momente sind irgendwie immer noch gut. Gemixt mit den starken Parts ist so eine wirklich gelungene Platte entstanden, die sich nahtlos in die Banddiskographie einreiht und ihrem Legendenstatus gerecht wird.

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