Renewal (Deluxe Edition)
Bis zu „Coma Of Souls“ galten Kreator als qualitativ höchstwertige und unbeirrbare Vertreter des klassischen Thrash Metal. Schließlich hatten sie es geschafft, ihren Sound zwar technisch zu verfeinern, dabei aber nicht Aggression und Geschwindigkeit zu vernachlässigen. Mit „Renewal“ hatte das aber alles – vorerst – ein Ende: statt komplexer, anspruchsvoller Thrash-Kracher gab’s plötzlich simple Hardcore-Riffs, Grunge-Melodien und Industrial-Sounds – und die Reaktion der Fans war entsprechend. Knappe 26 Jahre später erscheint das lange vergriffene „Renewal“ nun endlich wieder, remastert und mit drei Bonustracks ausgestattet und bietet sich somit zur Neubeurteilung an – falsch beurteilter Klassiker oder zurecht vergessenes Experiment?
Nun, zunächst muss man auf jeden Fall das Remaster loben. Das hat zwar immer noch den miesen 1992er-Dosen-Snaresound a la Helmet, klingt aber deutlich kraftvoller als die dünne Originalfassung. Ansonsten waren die Jahre aber nicht unbedingt freundlicher zu „Renewal“. Noch mehr als im Veröffentlichungsjahr erweckt das Album nämlich den Eindruck, daß da eine Band nicht wußte, wo sie hinwollte. Denn natürlich ist „Renewal“ nicht das wegweisende, doch missverstandene Industrial-Metal-Album, als das es retrospektiv gerne bezeichnet wird. Besagte Industrial-Elemente beschränken sich nämlich auf ein paar Samples und die Klangcollage ‚Realitätskontrolle‘. Stattdessen klingt „Renewal“ ganz schlicht und ziemlich exakt wie eine – anno 1992 kommerziell in den USA schwer angesagte – Mischung aus Helmet und Biohazard, abgeschmeckt mit ein paar weiterer gerade angesagter Trendelemente. Da findet sich ein wenig Grunge, ein paar Pantera-Riffs und ein wenig Funk-Metal – und bei derm Beschriebenen handelt es sich nur um einen einzigen Song (‚Reflection‘)! Enttäuschend ist dabei, daß nur wenig auf dem Album tatsächlich nach Kreator klingt – stattdessen eben nach einer der vielen Bands, die im Fahrwasser der oben erwähnten Trendsetter schwammen. Mille versucht sich auch stimmlich in die Nähe von Page Hamilton und NYHC zu begeben – nur klingt er dabei leider, als müsse er dringend mehr Ballaststoffe zu sich nehmen.
Das könnte man als toleranter Musikhörer ja noch verschmerzen – und wer mag die alten Helmet nicht? Doch auch das Songwriting auf „Renewal“ zieht nicht unbedingt die Butter vom Brot. Der Titelsong ist natürlich klasse, auch ‚Europe After The Rain‘, ‚Depression Unrest‘ und das am Ehesten noch nach „alten“ Kreator klingende ‚Brainseed‘ gehen auch noch als hörenswert durch. Ansonsten regieren aber bisweilen erschreckend stumpfe und ziemlich einfallslose Riffs, kraftlose Vocals und beliebig klingende Songs. Die Originale machten diese Art von Musik eben allesamt besser als Mille und Co. Als Bonustracks gibt es eine frühe Liveversion und eine ‚Trauma‘ betitelte, deutlich anders (und traditioneller) klingende Demoversion von ‚Winter Martyrium‘ sowie einen weitaus aggressiveren Remix von ‚Europe After The Rain‘.
Es ist natürlich schön, daß das Album endlich wieder erhältlich ist und sich somit jeder Kreator-Fan selbst ein Urteil bilden kann. Das ändert aber nichts daran, daß „Renewal“ musikalisch betrachtet eines der schwächsten Kreator-Alben ist und seinen „legendären“ Ruf als experimentelles Meisterwerk eher seiner langjährigen Rarität verdankt. Dank des wie erwähnt exzellenten Remasters und der Bonustracks kann man das Rerelease objektiv betrachtet aber ohne Frage dennoch als hochwertig und gelungen bezeichnen.