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Plastic Love

Ein Deutscher, ein Däne und ein Luxemburger treffen sich zum Pokern. Nach vier Runden legen sie alles in den Topf, bluffen – und gewinnen. Und was nach einem schlechten Witz klingt, ist Say Yes Dog – im übertragenen Sinne – tatsächlich passiert. Im Tonstudio. Das internationale Trio setzte sich 2013 zusammen, nahm die EP ‚A Friend‘ mit vier Songs auf und hatte das nötige Quäntchen Glück, über eine Million Internetklicks und mehrere Tausend verkaufte Platten zu verbuchen. Seitdem spielten Aaron Ahrends, Pascal Karier und Paul Rundel über 100 Konzerte von Paris über London bis zum Primavera Sound Festival in Barcelona, und tourten bereits als Vorband von Capital Cities und Junip – und hatten immer noch erst vier Songs auf der Haben-Seite. Sie selbst behaupten bescheiden, es sei

‚wie bei einem großen Bluff: wir hatten manchmal das Gefühl, jedem Moment aufzufliegen und wieder nach Hause fahren zu müssen, um anzufangen, ’ne richtige Band zu werden‘

.

Mit ‚Plastic Love‘ soll nun der Status ‚richtige Band‘ erlangt werden. Und Anzeichen dafür, dass noch nicht ganz sicher ist, in welche Richtung es mit ihrer Elektro-Stilistik gehen soll, kann man nicht leugnen. Andererseits kann man der Platte eine unglaublich große Vielfalt abgewinnen – sie klingt wie ein wilder Mix aus zahlreichen verschiedenen Bands und Genres. Der Einstieg ist unkonventionell ruhig – sagen wir gemächlich-poppig (‚Talk‘) – mit erotischen Note und eignet sich für alle, denen The Wombats zu stark abgehen (‚Hold Me‘). Danach gibt es Dancehall-Sound mit ‚New-Disco-Beat‘ und verspieltem Bass, was in die Richtung von The Weekend geht (‚Plastik‘). Darauf folgt der EP-Hit ‚A Friend‘: grooviger Elektro-Swing und eine Projektion von Parov Stelar Band aufs Synthie-Keyboard. Dem schließt sich der Song ‚Stronger‘ an, der noch von minimalistischer Lounge Music à la James Blake unterbrochen wird (‚Remember‘). Kurz vor Ende hat es den Anschein, dass Gigi D’Agostino dem Trio einen Besuch im Studio abgestattet hat (‚Girlfriend‘). Und ausklingen tut das Album wieder mit berauschendem, sogartigem Neosoul (‚Before I Go‘ und ‚Focus‘).

Der Clou an dem ganzen irgendwie bekannt klingenden Sound ist die Tatsache, dass es Say Yes Dog trotzdem geschafft haben, ihre eigene Elektro-Note zu schaffen. Einen großen Beitrag hat dazu Sänger Aaron, der mit seiner tiefen und beinahe durchweg gelangweilt-lässiger Stimme stark an Foals-Frontmann Yannis Philippakis erinnert. Und so schaffen Say Yes Dog mit ‚Plastic Love‘ das vielleicht abwechslungsreichste Album der letzten Wochen.

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