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Let The Bad Times Roll

Herzlichen Glückwunsch an Dexter Holland! Der Frontmann von The Offspring ist nun promovierter Biologe. Somit ist das neue Album der Kalifornier „Let the Bad Times Roll“ (Concord) die erste Platte, auf der er sich „Doktor“ nennen darf. Damit gesellt er sich zu anderen Punkrockgrößen wie Greg Graffin von Bad Religion oder Milo Aukerman von den Descendents, die ebenfalls promoviert haben. Erst genannter ist übrigens wie Holland Biologe. Allerdings unterscheiden sich ihre Themengebiete. Während sich Graffin der Evolutionsbiologie widmet, ist Holland Molekularbiologe. Somit dürfte auch klar sein, dass die beiden wohl nicht voneinander abgeschrieben haben.

Das gilt jedoch nur für ihre wissenschaftliche Karriere. Denn der Opener von „Let the Bad Times Roll“ „This is not Utopia“ klingt tatsächlich wie ein Bad-Religion-Song aus deren umstrittener „No Substance“-Phase. Der folgende Titeltrack geht eher in die Richtung Party-Kracher. Auf das erste Hören etwas nervig, setzt er sich letztendlich als Ohrwurm fest. So schaffen es The Offspring mit den ersten beiden Liedern tatsächlich das zu erfüllen, was von ihnen erwartet werden kann: Nicht zwingend straighter Punkrock, dafür Sommerfeeling und gute Laune.

Leider schlägt das Album danach eine andere Richtung ein. Viele Songs wirken etwas zahnlos und schwach auf der Brust. Ein gutes Beispiel ist hierfür „Army of One“. Das besitzt zwar ein starkes Riff, das an die Dead Kennedys auf der legendären „Fresh Fruit for Rotting Vegetables“ erinnert, aber leider geht es in der Schwammigkeit des Refrains und der fehlenden Aggressivität unter und mutiert zu einem lauen Lüftchen.
Dazu frönt das Quartett in „Behind Your Walls“ wieder verstärkt den Alternativ-Einflüssen, die bereits auf dem Vorgänger „Days Go By“ vorkamen.

Ziemlich witzig geraten ist dagegen „We Never Have Sex Anymore“. Hierbei handelt es sich überraschenderweise um eine Swing- und Jazznummer mit vollem Bläsereinsatz, die vor Witz und Überraschungen nur so sprüht. Etwas vorhersehbarer ist der groovige Mid-Tempo-Track „Coming For You“, der nach mehreren Anläufen allerdings zu überzeugen weiß.

Weshalb The Offspring Edvard Griegs „The Hall of The Mountain King“ covern mussten, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Bands wie Apocalyptica haben das schon deutlich spannender intoniert. Noch tragischer ist die Neuaufnahme des Band-Klassikers „Gone Away“, der ursprünglich auf der 1997er Scheibe „Ixnay on the Hombre“ enthalten war. Live mag die hier dargebotene Klavier-Version als Überraschung gut zünden. Als Studioaufnahme wirkt sie leider belanglos. Während das Original vor Emotionen strotzt und die im Text thematisierte Sehnsucht sehr greifbar wird, fehlt es hier an allem.

Neun Jahre sind seit der überraschend guten „Days Go By“ vergangenen. Dies war genug Zeit, um einen Doktortitel zu machen, jedoch leider zu wenig, damit The Offspring ein rundum gelungenes Album schreiben. „Let The Bad Times Roll“ ist eine durchwachsene Platte mir wenigen Höhen, viel Durchschnitt und ein paar Tiefen geworden.

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