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PAM PAM IDA – Den Spagat tanzen

Pam Pam Ida, dieser steil aufgehende Stern am bayrischen Indie-Pophimmel: 2015 für den Song „Gockl“ nicht nur vom Radiosender Bayern 3 zum Liebling auserkoren, sind die Sandersdorfer nach drei Alben und unzähligen Liveauftritten mittlerweile aus den Herzen der Fans nicht mehr wegzudenken. Dass sie aber abseits von allzu seichtem Popgewäsch auch was zu sagen haben, hat ihnen mit „Vaterland“ erst mal eine Apple-Sperre wegen rassistischer Hetze eingebracht. Kann halt keiner Bayrisch, da in Kalifornien, bei Apple.

Eigentlich ist drei Alben ja fast gelogen (oder zumindest geflunkert), kleidet sich das aktuelle Werk (Nummer 4!) doch in eine 3er-EP Trilogie, wovon die zweite EP jüngst erschienen ist. Wer jetzt bereits ausgestiegen ist und dem Zahlenchaos nicht mehr folgen kann: Herzlichen Glückwunsch, es wird noch komplizierter, wenn man berücksichtigen würde, was wann digital erscheint … lassen wir jetzt aber. War die erste EP noch geprägt von Sound-Bastelarbeiten im Bandraum, konnte die zweite EP dann schon mehr das Klassenfahrtgefühl atmen: ein Haus, die Band, das Wir, eine Woche. Ganz besonders, wenn man sich – wie im Falle des Sextetts – als „Band-Band“ definiert: „Keine studierten Musiker, welche das spielen, was sich einer überlegt hat, sondern so viel wie möglich miteinander aufnehmen – ganz wie die Rockbands der 70er“, erzählt Schlagzeuger Julian. „Da hin müssen wir vielleicht auch wieder mehr zurückkommen. Den Song „Amok“ haben wir z. B. nahezu so gelassen, wie wir den zu sechst aufgenommen haben, ohne sich zu verkünsteln“, ergänzt Sänger Andi.

Auch die Gefahr eines Lagerkollers war kein Thema, das exzessive Touren aus der Zeit vor der Pandemie hat die Band zusammengeschweißt. Viel eher war das Ausfüllen der Dreifach-Rolle als Sänger, Komponist und Produzent für Andi nicht so leicht: „Die Unsicherheit, ob es gut genug ist – daran hängt ja unser Fortbestehen. Wir wollen mit der Band in die Rente bzw. so alt wie möglich werden. Klar, dass man sich da viele Gedanken macht: Manchmal vertraut man den eigenen Liedern nicht oder ist unsicher, ob der Sound passt. Man muss auch lernen, sich davon zu lösen, dass alles immer Erfolg haben muss.“ Aus der Zeit vor Pam Pam Ida kennen Sie nämlich auch die Schattenseiten: lediglich eine Handvoll zahlende Gäste bei Auftritten nicht weit weg von zu Hause. Wohingegen sie jetzt in Sachen Fanbase schon verwöhnt wären, das betont die Band immer wieder.

Ausgeprägte Hassliebe

War das letzte Album „Frei“ noch ein gebranntes Kind der Corona-Zeit, welchem nur sehr spärlich die ihm sonst zustehende Aufmerksamkeit zuteilwurde, ist die aktuelle Trilogie eher eine Reaktion auf die „disruptiven Veränderungen des Musikmarktes“, wie Julian es beschreibt. Die Befähigung zum Musikerdasein wird heutzutage nicht mehr in Live-Einnahmen und Plattenverkäufen gemessen, sondern in sozialen Kanälen wie Instagram, Spotify und TikTok. Diese Entwicklung soll jetzt erstmalig mit der EP-Trilogie berücksichtigt werden. Der Schlagzeuger weiter: „Natürlich gibt es Best Practices wie Posts, TikToks und Songs sein sollten, damit der Algorithmus bestmöglich gefüttert wird. Einerseits muss man das natürlich so wahrnehmen, andererseits ist das ein richtiger Scheißdreck. Wenn sich alle nur daran orientieren, ist am Ende ja alles gleich. Das ist auch das, was die meisten Leute in der Musikindustrie gerade fertigmacht.“ Andi bleibt damit entspannt: „Das Schöne ist ja, dass wir da keinen großen Aufriss machen, nicht über Charts funktionieren und die Leute kommen trotzdem. Wir haben schon eine starke Fanbase und können uns live viel erarbeiten.“ Gitarrist Tom, der sich auch um das Booking bei der Band kümmert, ergänzt: „Das ist ja nur ein Pfeiler des ganzen Pam Pam Ida-Konstrukts. Die Zurverfügungstellung von Musik wäre ohne Streaming natürlich weitaus schwieriger. Live ist schon unser Kerngeschäft, wir versuchen die breite Streuung. Wir sind nicht total abhängig davon, die zu bedienen, würden uns aber natürlich schon ein ganz großes Loch in der Reichweite reißen, wenn wir es nicht machen würden.“ So kann man es sich auch gemütlich machen inmitten der Gegensätze, welche die aktuelle Entwicklung so mit sich bringt.

Etwas, das Pam Pam Ida auszeichnet wie keine andere Band, ist es, ihren leicht dramaturgisch-theatralischen Bühnenansatz mit so viel Charme und lausbubenhafter Leichtigkeit auszustatten, dass man Ihnen die Authentizität zweifelsfrei abnimmt. Schmunzelnd meint Andi dazu: „Wir sind halt doch nicht die allerbesten Schauspieler. Wir fühlen uns schon sehr wohl in den Rollen: Das Bühnenoutfit anziehen, bisschen blödeln, uns selber nicht zu ernst nehmen – einfach als Gegenentwurf zur emotionalen Tiefe und Schwere der Musik. Das hat sich so entwickelt und war nicht der Plan von Anfang an.“ Auch der Dialekt ist daran nicht unschuldig, überlegt Julian: „Der ist in den Ohren von vielen Leute immer etwas humoristisch, nett und nahbar. Das bricht einfach immer schon mal das Eis.“ Abgesehen davon genießt die Band es ziemlich, wenn vom Publikum viel zurückkommt – aller Schwierigkeiten, womit Andi bisweilen kämpft, zum Trotz. „Natürlich kann dich das Publikum ins Straucheln bringen: Wenn ich das Gefühl habe, jemand ist textsicherer als ich selbst oder wenn bei einer Ballade ungefähr so rhythmisch mitgeklatscht wird wie im ZDF-Fernsehgarten … Aber auch extrem lautes Reden, womit die Ansage – welche aber für die Konzertdramaturgie wichtig wäre – gecrasht wird nervt. Aber wir sind froh, wenn sie da sind und viel zurückkommt. Ein Konzert ist immer ein gemeinsamer Akt.“

Hatte man vor einiger Zeit noch die Sehnsucht, ja den festen Glauben und die Hoffnung auf einen Post-Corona-Kultursommer epischen, wenn nicht sogar magischen Ausmaßes, schlägt aktuell eher die rational-kalte Klatsche der Ernüchterung eines Post-Covid-Syndroms zu. Tourabsagen aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit, allgemeiner Ungewissheit oder eingebrochener Verkaufszahlen sind keine Seltenheit mehr. Eine Situation, welche Pam Pam Ida so halbwegs umschiffen konnten, wie Tom berichtet. „Zum Teil können wir sogar an die Verkaufszahlen von 2019 anknüpfen, was bei anderen Bands oder Veranstaltern nicht immer der Fall ist. Die tun sich viel härter damit, Tickets zu verkaufen, was für die Hartnäckigkeit unserer Fans spricht, die dann nicht nur auf eines, sondern auf mehrere Konzerte gehen. Da sind wir schon sehr gesegnet.“ Überhaupt ist noch immer so vieles anders. Die Tourplanung teilt sich nicht mehr wie üblich in Vollgas- und Ruhephasen, vielmehr ploppen ständig vereinzelte Termine auf, welche auch die Band beeinflussen. „Wenn die Auftritte immer nur vereinzelt sind, bist du ganz anders eingespielt. Das merkst du beim Aufbau, bei der Konzentration … wenn du durchspielst, bist du einfach drin. Ich finde das viel anstrengender, als sechs Wochen jedes Wochenende zu spielen“, so Tom, während Andi entgegnet: „Für mich ist das lustigerweise ganz anders. Ich habe mehr Energie, wenn das so verteilt ist. Bei sechs Auftritten nacheinander wird das schon zäh, auch wenn es irgendwie immer geht.“

Jetzt sind Pam Pam Ida ja von jeher eine Band, die ihre Kunst als Überschreiten von Grenzen versteht oder als buntes Austesten dessen, was möglich ist. Mit dem Projekt „Mundart Meets Classic“ haben sie sich nun eine weitere Spielwiese gesucht, wo sie zusammen mit den Münchner Symphonikern, Dicht & Ergreifend, dem Oimara und Ami Warning ein spezielles Konzert auf die Bühne bringen. „Anfangs war ich dem Projekt gar nicht nur positiv gegenüber gestimmt, aber je näher es rückt, umso mehr habe ich mich damit angefreundet“, gesteht Andi. „Da wird uns auch total viel Arbeit abgenommen: Das wird arrangiert, es gibt nur eine gemeinsame Probe … Aber das ganze Musikalische aus der Hand zu geben ist schon spannend. Wahrscheinlich sind wir diejenigen, wo es die wenigsten Veränderungen am Sound gibt, wir haben ja so schon Streicher (Anm. d. Red.: Das Silberfischorchester) dabei.“ Wir sind gespannt, mit welchen Inspirationen Pam Pam Ida von diesem Ausflug zurückkehren werden, aber klar ist: Die musikalischen Charakterdarsteller bleiben dem Überraschungsmoment treu und Fanherzen erobern liegt ihnen ja eh. Ganz wie die Rockbands aus den 70ern eben …

 

Fotocredit Titelbild: Rebecca Schwarzmeier, Fotocredit Bild 2: Maria Bayer

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