| |

Okay

Seine neue Platte in diesen Zeiten „Okay“ (Midsummer) zu betiteln, könnte als mutig bezeichnet werden. Denn absolut nichts ist derzeit okay, um es mit den Worten des großen Farin Urlaub zu sagen. Die Pandemie strapaziert die Nerven aller. Doch darum geht es Great Escapes nicht. Sie möchten auf etwas anderes hinweisen.

Das Trio aus Münster und Rheine thematisiert Aspekte unseres Alltags, die vor, während und nach der Pandemie unser Leben bestimmt haben und bestimmen werden: Selbstoptimierung, Leistungsdruck und andere Pseudo-Werte kommen nicht mehr nur im Beruf vor, sondern sind ebenfalls in der Freizeit und auf Social-Media-Kanälen Maßgabe für unser Handeln geworden. Es geht nur noch um höher, schneller und weiter. Das ist etwas, wogegen sich Great Escapes wehren. Denn es ist absolut okay, wenn Menschen nicht nur nach dem Maximum streben, nicht immer spektakuläre Dinge erleben oder die neuesten technischen Gadgets besitzen. Es ist okay, Schwächen zu zeigen und zuzugeben, dass es auch mal nicht läuft oder Vorhaben stecken bleiben.

Musikalisch setzen Great Escapes auf ihrem Zweitling auf eine Mischung aus Emo-Punk, Punkrock sowie ein wenig Post-Punk und Alternative. Bands wie Samian, The Get Up Kids, Spanish Love Songs sowie an der ein oder anderen Stelle Basement lassen grüßen. Dabei schaffen es die Westfalen, ein paar veritable kleine Hits zu erzeugen. Der eher ruhige Opener „Tyler“ sticht dabei genauso hervor wie die gelungenen Punkrock-Kracher „Spring Fake“, „Retry“ oder „Autumns and Atoms“. Absolutes Highlight ist jedoch die Mid-Tempo-Hymne „Ashes“ mit ihrem atmosphärischen Indie-Einschlag und dem wunderbaren Refrain. Zwar sind nicht alle Songs so auf den Punkt und vor allem mit „A Daily Death“ sowie dem abschließenden „Are You Okay“ zwei schwächere Tracks enthalten, allerdings kann über diese angesichts der schönen umgarnenden Wohlfühlstimme von Sänger Frederik Tebbe hinweggesehen werden.

Etwas irritierend und schwierig einzuordnen ist das auf Deutsch gesungene „Phobophobie“, was so viel wie die Angst vor der Angst bedeutet. Einerseits reißt es die Zuhörer*innen (leider) durch den Sprachwechsel aus dem aufgebauten Spannungsbogen. Andererseits ist es gleichzeitig ein starker Deutsch-Punk-Song, der zeigt, dass sich Great Escapes auch in diesem Genre wohlfühlen können. Auflösen lässt sich dieser Zwiespalt wohl nicht. Vielleicht sollte er einfach als Grüße an die ebenfalls aus Rheine stammenden und fast schon mit Legendenstatus versehenen Muff Potter oder als Widmung an Nicholas Müller von Jupiter Jones, der an eben jener Krankheit leidet, gesehen werden.

Great Escapes schaffen mit „Okay“ ein wunderbar melodisches Punkrock-Album, dem Freund*innen dieser Musik unbedingt Gehör schenken sollten und das einen aus dem aktuell tristen Alltag herausreißen kann. Denn „It’s okay to lose your mind from time to time“, wie es im Closer „Are You Okay“ heißt.


Great Escapes bei Facebook 

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar