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Affinity

Wer keine besondere Affinität zum progressiven Metal hat, wer krumme Taktarten, ausufernde 15-Minuten-Songs und lange Instrumentalpassagen nicht mag, der wird an „Affinity“ sicher den einen oder anderen Haken entdecken. So, damit haben wir die sich aufdrängenden Wortspiele gleich zu Beginn abgearbeitet und können uns voller Tatendrang auf ein Album stürzen, das – so viel sei an dieser Stelle schon verraten – am Ende des Jahres bei der Auflistung der besten Prog-Scheiben aus 2016 sicher ganz weit vorne stehen wird.

Wenn sich schon der Prog generell schwer kategorisieren lässt und als Markenzeichen seine generelle Unberechenbarkeit aufzuweisen hat, so gilt das für die Musik der Briten von Haken noch einmal umso mehr. Irgendwo zwischen modernem Prog-Metal, Retro-Prog, 70er-Jahre-Spielereien, Klassik, Gitarrengefrickel, experimentellen Passagen und Jazzrock sucht und findet „Affinity“ ein Zuhause. Diese Platte macht es sich sofort im Gehörgang gemütlich und umwebt uns mit Stimmung, Melodien und einem Strudel an Gefühlen. „Affinity“ ist eine Reise, die mit dumpfen Morsecodes und unweltlichen Sphärenklängen beginnt und weit hinaus in ferne Klanggalaxien führt, vorbei an ‚Red Giants‘ und mit ungetrübtem Blick auf den Aufgang des blauen Planeten in ‚Earthrise‘.

Letztes Jahr berichtete uns Keyboarder und Gitarrist Rich Henshall im Interview bereits vom neuen Album, jetzt liegt es endlich vor. Damals peilte die Band den April für eine Veröffentlichung an – auch hier zeigt sich wieder, wie präzise das Uhrwerk Haken nicht nur musikalisch funktioniert.

Der Nachfolger zu The Mountain ist das bereits vierte Studioalbum der ambitionierten Progger aus London. War dieses Album schon ein geniales Kleinod, so legen Haken mit „Affinity“ nochmals einen Gang zu und präsentieren eins der innovativsten und ganz sicher auch abwechslungsreichsten Prog-Alben des Jahres 2016. Epische Longtracks wie der viertelstündige ‚The Architect‘ wechseln sich ab mit Artrock-Hymnen, so zum Beispiel das wunderbar entspannte ‚Bound By Gravity‘. Der Song ‚1985‘ klingt tatsächlich im besten Sinne nach den 80er-Jahren bis hin zu den E-Drums und ausufernden Synthie-Passagen mit passenden Sounds. Man hat das Gefühl, als hätten Haken die besten Songs von Dream Theater, Leprous, King Crimson oder Gentle Giant zu einem neuen und äußerst homogenen Ganzen zusammengesetzt. „Affinity“ ist ein Produkt der gesamten Band geworden. Wie uns Richard Henshall im Interview berichtete, entstand das Album wirklich gemeinsam. Jedes Bandmitglied konnte eigene Ideen einbringen. Vielleicht erklärt das die vorherrschende große Abwechslung. Die durchgehend hohe Qualität des Songwritings und der Darbietung sind einer Ausnahmeband geschuldet, der mit „Affinity“ hoffentlich auch bei uns zu noch mehr Bekanntheit und Erfolg verholfen wird. An diesem Album können wir keinen, aber auch gar keinen Haken entdecken.

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