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Salome

So lange man denken kann, ist Emma Ruth Rundle nicht lediglich Emma Ruth Rundle. Genau genommen ist sie das sogar erst seit letztem Jahr, als ihr erstes Soloalbum ‚Some Heavy Ocean‘ erschien. Rundles stilistische Verortung aber ist weiterhin nicht im Vorbeigehen zu klären; dafür tanzt sie als bildende Künstlerin, Sängerin von The Nocturnes und Gitarristin der Red Sparowes, die ihrerseits einst dem Isis/Neurosis-Dunstkreis entstiegen und sich aus Mitgliedern einiger weiterer Bands speisen (puh!), auf zu vielen Hochzeiten. Annähernd plausibel, dass das aktuell vorrangige Projekt den Namen Marriages führt. Deren Debüt titelt mit dem Inbegriff von Sinnlichkeit und Grausamkeit: Salome, Tochter des Herodes, soll ihrem Vater der Legende nach das Haupt Johannes des Täufers gereicht haben – auf einem Teller.

Das Album ‚Salome‘ reicht auf dem Silbertablett die Quintessenz all dessen, was Emma Ruth Rundle in und von nahestehenden Bands gelernt hat. Auf der Debüt-Langrille des Trios aus L.A. vollführt sich der Brückenschlag zwischen Post-Rock-Verwurzelung und Lo-Fi-Emanzipation – ein Versprechen, das die Vorgänger-EP ‚Kitsune‘ mangels Entschieden- und Konturiertheit noch nicht einlösen konnte. Ab sofort vergeben und verziehen, denn der zweite Anlauf ist scharfgestellt und lässt kaum einen Anspruch unbedient.

Bleischwer und federleicht, grauschattiert und knallig-bunt zugleich klingt ‚Salome‘. Ach ja: Sinnlich und grausam sowieso. Rundles gesangliches Mienenspiel beeindruckt als Hauptgeschmacksträger: mal anmutig gehaucht, mal aggressiv gefaucht, vage hier, kräftig dort, aber in seinem post-punkigen Widerhall doch permanent vereinnahmend. Dazu lodern grungig-abgehangene bis majestätisch-erhebende Riffs auf nicht selten brodelnder Grundierung. Greg Burns pipettiert düstere Synthies darüber, Andrew Clincos Schlagzeugspiel trägt Song um Song auf Händen, taktet dem Album seinen Puls und ist doch eine Größe für sich. Das Strophe-Refrain-Schema mag zuweilen antiquiert anmuten, lässt aber ‚Salome‘ an allen Ecken und Enden Funken sprühen. Platzhalter, Lückenfüller oder anderweitig abfallende Songs gibt es schlichtweg nicht.

Der Reifegrad dieses nicht ganz echten Debüts kommt im Hinblick auf den respektablen Erfahrungsschatz der drei Musiker nicht weiter überraschend, seine Klasse und Konsistenz aber machen ‚Salome‘ unbeschadet dessen zu einem großen, charismatischen Rock-Kunstwerk, das sich souverän über Gattungsgrenzen hinaus erstreckt. Selten war Schwere so beflügelnd, klang Einzigartiges so einfach, Altvertrautes so neu.

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