Volume One
Westbound ist ein Projekt von Sänger Chas West (ex-Red Dragon Cartel) und Gitarrist/Produzent Roy Z, der in den 1990ern damit bekannt wurde, Bruce Dickinson und Rob Halford in eine – zugegeben in beiden Fällen nur mäßig erfolgreiche – Solokarriere zu geleiten. Das „Volume 1“ betitelte Debütalbum der beiden bietet eingängigen Hardrock mit starker Achtziger-Schlagseite, der Freunden von Bands wie (vor allem!) Lion, Keel oder Rough Cutt ausdrücklich mindestens zur Hörprobe empfohlen werden kann.
Zeichneten sich Roy Zs Produktionen für Dickinson und Co. eher durch eine Mixtur aus traditionellen Metal-Elementen und moderner Produktion aus, scheint das Westbound-Debüt ganz eindeutig auf das Jahr 1986 zu schielen. Wie die oben erwähnten Bands stehen auch Westbound mit einem Bein im (damals) kommerziellen Metal, Anleihen bei den Achtziger-Klassikern von Dio, Ozzy oder sogar den poppigeren Lizzy-Borden-Songs treffen auf eine Achtziger-Radio-taugliche AOR-Produktion und ein paar Siebziger-Classic-Rock-Anleihen – Kiss, Ted Nugent, Montrose. Das ist natürlich kein Stück originell, wo aber alle anderen Retro-Hardrocker derzeit entweder Black Sabbath, Led Zeppelin oder, in der Glam-Variante, Mötley Crüe huldigen, irgendwie sogar eindeutig wieder sympathisch. Zugegeben, dem Album fehlt ein echter Hit, der sich so richtig als potenzielles neues Lieblingslied empfiehlt, aber immerhin haben sich Westbound auch nicht die Blöße eines echten Ausfalls erlaubt. Abwechslung gibt es auch nicht viel, ist aber bei der Zielgruppe bekanntlich auch keine Voraussetzung.
Was die Wertung allerdings ein wenig nach unten zieht, ist die Produktion. Von einem Profi wie Roy Z erwartet man schließlich saubere Arbeit – die bietet „Volume 1“ aber nur phasenweise. Während Songs wie ‚Roll The Bones‘, ‚Ain’t Gonna Drown‘ oder ‚Turn To You‘ ganz exzellent klingen, machen beispielsweise ‚On My Own‘, ‚Traveller‘ und vor allem das mit einem ziemlich tollen Refrain ausgestattete ‚Nothing‘ eher den Eindruck, als seien hier ein paar Demos oder Rough Mixes versehentlich mit auf’s Masterband gerutscht. Auch die Vocals klingen bisweilen ein wenig unfertig – hier muss ich wieder ‚Nothing‘ erwähnen, bei dem es ganz deutlich zu hören ist, das der Gesang inklusive Harmonien schlicht neben dem Beat herläuft. Klingt, als sei da beim Geraderücken am PC ein Fehler passiert, der in der Endkontrolle übersehen wurde. Ähnliche Artefakte tauchen auch in anderen Songs auf, was beim zugegebenermaßen von Bandkollegen auch schon mal als „Taktnazi“ beschimpften Schreiberling leider zu einer ähnlichen Reaktion führt wie der Versuch, eine Katze gegen „den Strich“ zu streicheln. Wären die Vocals nicht bisweilen geradezu übertrieben weit in den Vordergrund gemischt, fiele das eventuell gar nicht so sehr ins Gewicht, aber so bleibt insgesamt ein etwas unausgegorener Eindruck – schließlich haben wir es nicht mit einer no-Budget-Eigenproduktion einer jungen Band zu tun, sondern mit gestandenen Profis. Da hängt die Messlatte eben ein Stück höher.
Wie bereits erwähnt, eingefleischte Achtziger-Freaks sollten West und Freunden trotzdem definitiv ein Ohr leihen. Vielleicht stören die sich auch nicht so sehr an der unebenen Produktion. Sollten wir „Volume 2“ jemals zu hören kriegen, wäre jedenfalls diesbezüglich mehr Sorgfalt zu wünschen. Dann könnten Westbound zukünftig durchaus zu Revolution Saints oder Red Dragon Cartel aufschließen – „Volume 1“ bleibt aber leider – ähnlich wie Wests letztes Projekt Resurrection Kings – trotz jeder Menge sympathischer Ansätze und viel Talent im guten Mittelfeld stecken.