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No Now

Achievement unlocked: Kapitulation. Ein Rezensent bricht ein – am Fuße der eigenen hochtönenden Lautsprecherschaft. Der Verantwortliche: Ein Mann, über den nicht viel mehr bekannt ist, als dass er sich Clarence Clarity nennt. Einer, der einem die Finger abhackt, wenn man es mit Rantasten probiert. Und dessen versponnene Geistesblitzgewitter seinen Künstlernamen – einen Pleonasmus der Klarheiten – auf gröbste Weise konterkarieren. Ein Meister (s)eines Fachs, das zum schnöden Begreifen, Verstehen oder Erklären schlicht zu schade wäre. Von der schieren Unmöglichkeit dessen einmal abgesehen.

Besser wird’s nimmer: ‚No Now’s 20 (!) Songtitel reichen von ‚Tathāgatagarbha‘ bis ‚Buck-Toothed Particle Smashers‘, sein Cover-Artwork erinnert an ein PC-Spiel um die Jahrtausendwende. Optisch. Inhaltlich – selbst symbolisch genommen – ist es einfach nur absurd: Efeuranken aus Pixeln, generierte Meeresoberfläche und Goldspeer im Vogelhäuschen. Hinter dem Deckel steckt ein Crashkurz in jüngerer Musikgeschichte, werden sämtliche Boybands und R’n’B-Glanzlichter der Zeit vor der Jahrtausendwende durch den Wolf gedreht, in 2-Minuten-Würfel gepresst und: Heilige Scheiße, ist das geil! J.Lo, Justins *NSYNC (oder wie die sich geschrieben haben mögen), Prince (der ‚Purple Rain‘-Typ), pi pa po, man könnte es als Abrechnung verstehen, wenn es nicht so ungemein euphorisierte. Der Sound hyperventiliert vor lauter Querverweisen, Fußnoten, Hektik und Glitches. Und könnte einem das Augenlicht (oder etwas anderes Wichtiges) kosten, wenn man keine sichere Entfernung zur Schallquelle einhält.

Clarence Clarity gibt an, er sei für ‚No Now‘ zum Exorzisten geworden, habe sich alles jemals Gelernte ausgetrieben. Nach Künstern wie ihm dürstet die Szene. Am Ende treibt er es nicht nur außerordentlich gut, sondern auch einen – ach, was! – hundert Keile zwischen alles, woran wir uns lange Zeit gewohnen durften … mussten. Ein Versatzstück-Wahnsinn in neonbunt, eine brennende Ode an die Berühr- und Veränder- und Schändbarkeit von Klang im Allgemeinen und Musik im Speziellen. Und singen kann der Mann ja auch noch – was man in all dem Trubel beinahe zu würdigen vergisst.

Anders ausgedrückt: Hier landen die Neuronen auf der Spaghettigabel, sofern sie einem nicht schon vorher verdampfen. Hier fließt der härteste Energydrink des Pausenhofs. Hier galoppiert der Vibe einen in Grund und Boden. Heute Nacht schlafe ich nicht – soviel ist sicher. Und vielleicht auch sonst nie wieder. Fragt Clarence, weshalb.

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