Nighttime Stories
Das letzte, sehr gute „Forever Becoming“ der Post-Metaller Pelican aus Chicago ist knappe sechs Jahre her. Mit Riesenschritten steuern die Genre-Pioniere auf ihren zwanzigsten Geburtstag im Jahr 2021 zu. Die Veröffentlichung des neuen Albums „Nighttime Stories“ dürfte das erste seit The Oceans „Panterozoic“ im letzten Herbst sein, das Genre-Liebhabern wohlige Vorfreude durch die von Bässen vibrierenden Eingeweide jagen dürfte.
„Forever Becoming“ war das erste Werk seit dem Weggang von Gründungsmitglied Laurent Schroeder-Lebec, die auch nach der Veröffentlichung im Herbst 2013 noch nachhallt. Im Jahr 2014 verstarb zudem sehr unerwartet Sänger Jody Minnoch, etliche Songtitel und Ästhetik-Ideen hatte dieser seinen Bandkollegen noch kurz vor seinem Tod mitgeteilt.
Die Band selbst beschreibt den seither andauernden Prozess der Konsolidierung als schwierig, aber auch als fruchtbar für die kreative Energie und die Wut. Ein weiterer Grund für die Härte des neuen Albums war auf jeden Fall auch das kulturelle und politische Klima.
„Wir hatten das Album ungefähr zur Hälfte geschrieben, als eine beträchtlicher Teil des Landes Anstalten machte, öffentlich Totalitarismus, Borniertheit und die Überlegenheit der weissen Rasse eine neue Stimme zu geben. Die Furcht und die Wut, die das bei anderen Teilen der Bevölkerung auslöste, hatte erheblichen Einfluss darauf, wie das folgende Material klingt“, beschreibt Gitarrist Trevor Shelley de Brauw die düstere Stimmung, die den Reifungsprozess des Albums umgibt.
Bereits das Album-Intro ‚WST‘ ist geprägt von Pelicans Markenzeichen. Dem Verweben von folkig anmutenden Indie-Akustik-Klängen mit düsteren, langgezogenen Metal-Riffs, die dann in das bereits vor Release vorgestellte ‚Midnight and Mescaline‘ münden. Bei instrumentalem Post-Metal wird dem aufmerksamen Betrachter immer wieder die Bedeutung von Gesang bewusst – in seiner Abwesenheit muss man sich der Musik anders nähern. Und die tiefen Klänge von Pelican sind sehr dazu angetan, die Rhythmen im Bauch zu fühlen und sich so die Klanglandschaften zu erschliessen. Ein Vorgang, der schwer in Worte zu fassen ist. Er hat etwas hypnotisierendes, betörendes, aber auch reinigendes und befreiendes. Lediglich die Songtitel geben ein Richtung vor und wenn ‚Cold Hope‘ fast sieben Minuten überwiegend mega-doomig im Keller herumrumpeln und dann eine kühle Melodielinie über die Riffs und den Beat legt, weiss man Bescheid.
Der Titeltrack akzentuiert das Album mit disharmonischen Gitarren, knarrenden Bässen und noisigen Beinahe-Auflösung einer konventionellen Songstruktur in eine abwechslungsreiche, etwas anders gelagerte Richtung. Das letzte Lied von „Nighttime Stories“, das achtminütige ‚Full Moon, Black Water‘ mit seinen triumphal klingenden Melodiebögen und den ruhigen Abschnitten setzen einen versöhnlichen Schlusspunkt unter ein spürbar gereiftes, hochemotionales Album.