Wenn die Massen aus ganz Europa im Juli das an der Loreley am Mittelrhein gelegene Amphitheater bei St. Goarshausen pilgern, um ein ganz besonderes Rockfestival zu erleben, steht wieder einmal die Night Of The Prog auf dem Programm. Progressive Rockmusik unter freiem Himmel und eine entspannte und familiäre Atmosphäre sorgen wieder einmal für Hochstimmung.

Zum elften Mal findet vom 15. bis 17. Juli 2016 das Night Of The Prog Festival statt, und zum zweiten Mal nach dem Jubiläum im letzten Jahr ist es auf volle drei Tage ausgedehnt. Zunächst einmal muss man wieder die wunderbare Location loben, die das Prog-Fest aus der Masse aller Rockfestivals hervorhebt. Die einzigartige Lage der geschichtsträchtigen Freilichtbühne auf dem sagenumwobenen Loreley-Felsen im UNESCO-Welterbe Mittelrheintal bietet einfach eine ganz besondere Atmosphäre und einen spektakulären Ausblick hinunter auf den Rhein und die umgebenden Felsen und Burgen. Nicht zuletzt deswegen ist das letztjährige Festival aktuell bei den Progressive Music Awards, die am ersten September in London verliehen werden, in der Kategorie „Bestes Live Event“ nominiert worden. Wir drücken die Daumen.
So können viele der angereisten Besucher Lion Shepherd nur von außerhalb des Amphitheaters lauschen, als die Polen mit ihrem gelungenen Auftritt das diesjähriges Festival eröffnen. Und das machen sie sehr ordentlich mit einer druckvollen Mixtur aus kernigem Rock und eingestreuten Folk- und Trance-Elementen. Hin und wieder verbreiten die Polen gar orientalische Stimmung mit ihren Gitarrensounds. Die Newcomer haben letztes Jahr ihr gelungenes Debütalbum vorgelegt und zeigen jetzt, dass sie die Dichte und den Groove ihrer Songs auch live bestens zur Geltung bringen können. Frontmann Kamil Haidar sorgt auch gleich für nachdenkliche Momente, als er einen Song den Opfern des gestrigen Anschlags in Nizza widmet. Später erklärt er, man wisse gar nicht so richtig, ob man hier richtig sei, da die Band die eigene Musik eher in die Kategorie „Weltmusik“ als in die Prog-Schublade stecke. Wie auch immer, den hereinströmenden Massen gefällt es, und so dürfen Lion Shepherd den Festivalauftakt als Erfolg für sich verbuchen.
Subsignal aus Deutschland sind schon alte Hasen im Prog-Geschäft und präsentieren unter anderem Material des aktuellen Albums The Beacons of Somewhere Sometime. Vor sieben Jahren bereits hat die Band ihren ersten Auftritt auf der Loreley absolviert und kehrt mit dem Titel ‚The Sea‘ auch musikalisch zum ersten Album zurück. Insgesamt ist die Musik der Kapelle um den Sänger Arno Menses etwas ruhiger und sphärischer als die der ersten Band, kann aber auch mit den eingestreuten Elektro-Parts das Publikum überzeugen. Dieses besteht übrigens auch 2016 wieder aus einer bunten Mischung aller Altersklassen. Progressive Rockmusik ist eben nicht nur etwas für alte Herren und Hipster.
Mehr Musik folgt dann auch gleich im Rahmen einer nostalgischen Retro-Show der deutschen Rockband Lucifer’s Friend um den britischen Sänger John Lawton. 1970 von Lawton mitgegründet, hat sich die Band in den letzten 30 Jahren mehrfach aufgelöst und neu formiert. Letztes Jahr wurde ein neues Album eingespielt, es folgte ein Auftritt auf dem Sweden Rock Festival. Der heutige Auftritt auf der Loreley ist eine seltene Gelegenheit, Lawton und seine Männer noch einmal in Aktion zu erleben. Die Herren haben sichtlich Spaß an der Sache, das dürfte wohl auch der Grund für diese Show gewesen sein. Nicht etwa, wie jemand aus der Menge ruft, der Ruf des Geldes. Neben der Musik, einer Mischung aus progressivem Hardrock und einigen Metal-Einflüssen, können Lucifer’s Friend auch durch viel Humor überzeugen, wenn der vor wenigen Tagen 70 gewordene Lawton zwischen den Songs immer wieder auf das Alter der Musiker anspielt. „Wir haben am ersten gemeinsamen Übungstag für den Gig über unsere Gesundheit gesprochen. Wir haben alle die gleichen Probleme.“
Als es ganz dunkel geworden ist, steht dann der Auftritt der amerikanischen Melodic-Progger von Spock’s Beard auf dem Programm. Schon beim Umbau geistert Nick D’Virgilio auf der Bühne herum und filmt das begeisterte Publikum mit seinem Handy. Richtig gelesen, der ehemalige Drummer ist heute wieder mit dabei – genauso wie Mastermind Neal Morse persönlich. Für einige Shows sind beide ehemaligen Bandmitglieder zurückgekommen, so dass man sich auf eine ganz besondere Performance freuen darf. Es folgt – wie angekündigt – das Konzeptalbum ‚Snow‘ in voller Länge. Das im Jahre 2002 erschienene fast zweistündige Doppelalbum war bekanntlich das letzte unter der Mitwirkung von Neal Morse vor seinem Ausstieg.
Nick D’Virgilio trommelt auf einem zweiten Set neben Jimmy Keegan, kommt zwischendurch für Gesangsparts nach vorne. Neal Morse und der aktuelle Sänger Ted Leonard teilen sich immer wieder die Vocals, und auch ansonsten bietet die komplette Performance von ‚Snow‘ mehr als genug Überraschungen, wenn zum Beispiel Jimmy Keegan mal eben über den Zaun klettert und ein Bad in der Menge nimmt oder sich am Ende ein furioses Drum-Duell mit Nick D’Virgilio liefert, bei dem die beiden zunächst auf einem der beiden Schlagzeugsets trommeln und danach am vorderen Bühnenrand auf dem Boden weitermachen.
Wir haben bei Facebook ein Fotoalbum mit ein paar Highlights des ersten Tages für euch angelegt.
Der Bericht zum zweiten und dritten Tag folgt in Kürze.