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Love Beach – 2017 Deluxe Remaster

Ach, „Love Beach“. Was für ein Albumcover. Und dazu aufgrund der kommerziellen Ausrichtung das wohl meistgehasste Album, das Emerson, Lake & Palmer je veröffentlicht haben. Trotzdem ist die Scheibe in der Deluxe-Remaster-Kampagne der Band natürlich auch enthalten und wird mit diversen Bonustracks und generalüberholtem Sound ausgestattet. Darf man 39 Jahre nach Erstveröffentlichung also „Love Beach“ mit anderen Augen sehen oder sogar mögen?

Stand der Dinge anno 1978: mit Ausnahme von ‚Pirates‘ und ‚Fanfare For The Common Man‘ hatten ELP seit „Brain Salad Surgery“ fast fünf Jahre lang kein neues Studiomaterial mehr gemeinsam aufgenommen. Die Vorgänger „Works I“ und „Works II“ hatten – mit Ausnahme der beiden Erwähnten – aus Solosongs und Outtakes früherer Alben bestanden. Es war also ehedem fraglich, ob die Band nach der langen Pause noch in der Lage war, zusammenzuarbeiten. Die Plattenfirma drängte die Band schließlich nach einer disaströsen, letztlich nach wenigen Shows abgebrochenen Orchester-Tour dazu, endlich neues und idealerweise radiotaugliches Material zu schreiben, welches auch in den Zeiten von Disco und Punk zum Verkauf taugte und die Verluste des Mammutprojektes wieder einspielen sollte. Lake fand die Idee klasse, Emerson eher weniger. Die beiden einigten sich auf einen Kompromiss: eine Seite des Albums sollte Lakes AOR-Songs gehören, die zweite Seite eine Suite von Emerson einnehmen.

Generell kommt die Seite mit Lakes Songs eher unter Beschuss als das die zweite LP-Seite einnehmende Zwanzig-Minuten-Epos. Nun, natürlich handelt es sich hierbei um relativ simple Poprock-Songs, von beinharten Prog-Nazis braucht man hierfür also eh keine Toleranz zu erwarten. Nun, Carl Palmer hat danach mit Asia in ähnlichen Fahrwassern (mindestens) zwei exzellente Scheiben produzierte, ebenso wie Greg Lake danach in Kooperation mit u.a. Gary Moore zwei stilistisch ähnliche, ebenfalls großartige Alben veröffentlichte. Was den Songs aber auf „Love Beach“ fehlt, ist die entsprechende, bei den Folgeprojekten dank der musikalischen Partner vorhandene Rock-Credibility. Keith Emerson – er produzierte die Scheibe auch – hatte die leider noch nie, weshalb leider sämtliche Songs sowohl im Hallgerät ertränkt als auch mit cheesigen Synthiesounds ersticktwerden. Hier bietet das Remaster mit den Rough Mixes als Bonustracks tatsächlich interessante Alternativen, die Drums klingen kraftvoller, die Vocals stehen sauber im Vordergrund, die Synthies dienen dem Gesamtbild – und das Fehlen einger späterer Emerson-Overdubs entpuppt sich auch als willkommene Entschlackung und somit Verbesserung. Hätte so das komplette Album geklungen, wäre es mit Sicherheit ein gutes Stück weniger ablehnend aufgenommen worden.

Nun, ehrlicherweise muss man aber zugeben, den Disco-lastigen Titelsong hätte auch das nicht gerettet, der ist wirklich so mies, wie viele behaupten. Gleiches gilt für ‚Taste Of My Love‘ das den wohl erbärmlichsten Text über Fellatio enthält, den man sich vorstellen kann – dagegen ist Spinal Taps ‚Lick My Love Pump‘ wahre Poesie. Wie der Rest der durchweg extrem banalen Lyrics ist auch diese Entgleisung auf den Mist des früheren King Crimson-Texters Pete Sinfield gewachsen – autsch’n. Doch es gibt auch Positives. Die typische Lake-Ballade ‚For You‘ und die obligatorische Emerson-Klassikadaption ‚Canario‘ hätten auf jedem anderen ELP-Album eine gute Figur abgegeben, auch ‚The Gambler‘ geht in Ordnung, lehnt sich aber im Refrain doch ein wenig zu stark an ‚Tiger In A Spotlight‘ an, um als echtes Highlight zu überzeugen.

Bleibt also noch Seite zwei mit dem „Longtrack“ ‚Memoirs Of An Officer And Gentleman‘. Realistisch gesehen handelt es sich hierbei aber keineswegs um einen echten Longtrack, sondern um vier einzelne Songs, die musikalisch aber nicht viel gemeinsam haben und auch nicht ineinander fließen. Daß das Ganze als Longtrack verkauft wurde, war wohl eher ein Versuch der Anbiederung an die Altfans. Nun, offen gesagt fanden sich Lake und Palmer auf Emersons Seite weit besser zurecht als der auf der kommerziellen Hälfte des Albums. Gerade Lakes wie immer starker Gesang täuscht über manche öde Stelle weg, speziell, wenn Emerson sich in ‚Love At First Sight‘ in Richard Clayderman-Gedudel verläuft. Insgesamt krankt auch hier das Gesamtbild an der Produktion und der Tatsache, daß Emerson sich vornehmlich Plastiksounds bedient, die damals zwar „state of the art“ waren, aber gerade in den pompöseren Passagen einfach nicht genug Kraft entwickeln.

Unterm Strich ist „Love Beach“ also mit Sicherheit kein Meisterwerk geworden – da ändern auch die seitdem vergangenen Jahre nichts. Keith Emerson war schlicht nicht der richtige Mann für solch ein Projekt, weder als Produzent noch als Instrumentalist. Ein außenstehender Produzent wie Roy Thomas Baker (Journey, Queen) hätte es aber mit Sicherheit geschafft, aus den zahlreichen guten Ideen (und durch Entsorgen weniger guter Einfälle) ein Album zu formen, das ELP glaubwürdig und wohl auch erfolgreich für den Weg in die Achtziger vorbereitet hätte – was zum Beispiel Yes und Genesis auch geschafft hatten. Es sollte nicht sein – so bleibt ein halbgares Album mit einem der grausamsten Cover-Artworks (?) aller Zeiten und einem genauso peinlichen Textbeitrag. Das Remaster hilft mit generell weit dynamischerem Sound und den raueren Bonustracks aber immerhin, das Potenzial hinter „Love Beach“ zu erkennen.

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