Live The Love Beautiful
Der einsame Astronaut treibt irgendwo im Weltraum, aber er sieht die roten Rosen in irgendeiner Form von musikalischer Poesie. So verspricht es das Cover der neuen Scheibe der amerikanischen Southern-Rocker Drivin N Cryin. Poetisch geht es auf dem Album dann auch zu, außerdem wird’s politisch, groovig und definitiv hörenswert. Aber der Reihe nach.
Drivin N Cryin gibt es schon fast 35 Jahre, spielte die Band doch 1985 ihren ersten Gig im heimischen Atlanta / Georgia. Die Gründungsmitglieder Kevn (ohne i) Kinney und Tim Nielsen sind auch heute nach dabei, wenn das Quartett seinen ersten neuen Longplayer seit zehn Jahren präsentiert. Musikalisch ist dabei eine Mischung aus Southern Rock, Americana, Country und einer Prise Garage- und Psychedelic-Rock herausgekommen. Inhaltlich drehen sich die elf überwiegend direkt live im Studio und ohne Overdubs aufgenommenen Songs um schwierige Zeiten sowohl in persönlichen Krisen als auch in der aktuellen amerikanischen Politik. Da passen die teils eingeworfenen Folkrock-Attitüde genauso gut wie die Retro-Passagen, die im 60er-Jahre-Psych-Rock verwurzelt sind und ein wenig old school punk’n’roll. Der Opener ‚Free Ain’t Free‘ gibt die Marschrichtung vor und ist eine zornige Abrechnung mit den eigenen Landsleuten und dem Kapitalismus, der immer breiter werdenden Kluft zwischen Arm und Reich. Wer Drivn N Cryin noch nicht kennt, wird zunächst etwas überrascht sein, den Kevn Kinneys Stimme ist wahrlich sehr markant in ihrer Mischung aus Sprechgesang und zornigem Alternative-Rock-Timbre. Aber man hat sich schnell an die Vocals gewöhnt und muss feststellen: Es passt. Natürlich passt es.
Mit dem Song ‚Spies‘ wird es später noch einmal politisch,
Neben dem charakteristischen Gesang bleiben vor allen Dingen auch die Gitarrenparts im Ohr hängen, die Laur Joamets gekonnt aus diversen Sechssaitern herausholt. Kernige Riffs, melodische Soli und ein paar hübsche Slides wechseln sich immer wieder ab und entzücken den Southern-Folkrock-Fan. Die Gastmusiker Aaron Lee Tasjan und Matt Rowlands sorgen mit ihren eingestreuten Piano-, Hammond-Orgel- und Synthie-Parts für die richtige Stimmung. Im Song ‚If I’m Not There I’ll Be Here‘ (schöne Logik!) wird es richtig retro mit den erwähnten 60er-Vintage-Sounds und einigen sehr psychedelischen Parts, die sich dennoch harmonisch ins Gesamtbild fügen.
Leider gibt es auch zwei oder drei Ausrutscher, wenn man sie denn dann so nennen mag, denn insgesamt liefern die Amerikaner ein sehr gutes Album ab. Im Gegensatz zum Rest bleibt aber gerade der Titelsong etwas zurück und ist der erste des Albums, der nicht länger im Ohr hängenbleibt. Und ganz am Ende wird’s dann etwas arg poppig mit ‚Over And Over‘ und ‚Sometimes I Wish I Didn’t Care‘, die beide ein wenig die hohe Energie des restlichesn Albums vermissen lassen und ein wenig in der Durchschnittlichkeit versinken. Schade drum, aber unterm Strich bleibt dennoch ein sehr gutes Album, das Spaß und überwiegend auch richtig Laune macht. „Live The Love Beautiful“ ist wirklich beautiful.