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Human Nature

Es ist eigentlich ein amüsanter Zufall, daß Hardline ihr aktuelles Album am selben Wochenende und beim gleichen Label wie die Kollegen von Tyketto veröffentlichen. Beide Bands hielten nämlich als das „letzte Kommando“ mit großartigen Veröffentlichungen Anfang der 1990er immer noch die Fahne des melodischen Hardrock hoch, obwohl kommerziell gesehen längst kein Pfennig mehr damit zu verdienen war. Das Hardline-Debüt „Double Eclipse“ erregte damals auch einiges Aufsehen, weil die im Business noch unbeschriebenen Brüder Johnny und Joey Gioeli es geschafft hatten, Ex-Journey– und Santana– Gitarrenlegende Neal Schon an Bord zu ziehen, der mit Deen Castronovo (ebenfalls später bei Journey) und Todd Jensen (Paul Rodgers) auch gleich noch zwei Vollprofis mitbrachte.

Nun, heuer ist von diesen illustren Namen nur noch Sänger Johnny Gioeli übrig, der den meisten Hardrockfans als Sänger von Axel Rudi Pell bekannt sein dürfte. Musikalisch hingegen fällt das kaum ins Gewicht, Hardline frönen – nach ein paar moderneren Ausflügen auf dem spät veröffentlichten Zweitwerk – wieder der klassischen Hardrockschule. Wer die Band noch nicht kennt, dem seien die McAuley/Schenker-Group, die kommerzielleren Sachen der Pretty Maids und härtere Journey als Orientierungspunkte nahegelegt. Auf „Human Nature“ gibt’s nun bei einigen Songs auch noch eine leicht epische Note, und in Verbindung mit der gelegentlich auftauchenden Hammond-Orgel und Gioelis unverkennbarer Stimme dürfte sich auch der Großteil der Pell-Fans hier wohl fühlen. Doch keine Angst, Gitarrist Josh Ramos hat ja seinerzeit schon beim Journey-Ableger The Storm bewiesen, daß er Neal Schons Gitarrenstil täuschend echt nachempfinden kann, und so wird sich jeder, der Hardline nach dem Debüt aus den Augen verloren hat, dennoch sofort wohl fühlen. Dazu kommt, daß Hardline auch songwritingtechnisch ordentlich zugelegt haben – die elf Stücke gehen allesamt ohne Umschweife ins Ohr und stehen tatsächlich trotz Mitwirken einiger der „üblichen Verdächtigen“ (u.a. Fließband-Schreiber und Keyboarder Alessandro Del Vecchio) deutlich über dem typischen Fronters-Projekt-Niveau. Anspieltipps verbieten sich dabei schon fast, denn tatsächlich findet sich kein einziger Song, der das hohe Niveau der Scheibe nicht hält. Pell-Fans dürfte aber der Opener ‚Where Will We Go From Here‘ besonders ansprechen, die „Double Eclipse“-Ära-Fans dürften sich derweil bei dem Groover ‚Nobody’s Fool‘ oder dem leicht an ‚Rhythm From A Red Car‘ erinnernden ‚Running On Empty‘ besonders willkommen fühlen. Für Kuschelrocker gibt’s dann mit ‚Take You Home‘ auch eine spartanische Piano-Ballade die Gioeli jede Menge Raum für große Gefühle läßt.

Die Produktion ist, wie bei Frontiers mittlerweile üblich, absolut kritikfrei ausgefallen, sogar ein paar Ecken und Kanten haben sich gehalten. Ja, das Ding rockt bisweilen ernsthaft, so richtig mit Schmackes und allem Drum und Dran! Und natürlich punktet „Human Nature“ schon alleine mit dem charismatischen Organ des Frontmannes, die dank der durchweg gelungenen Songs hier weit eindrucksvoller in Szenen gesetzt wird als auf den letzten Scheiben des Wattenscheider Blackmore. AOR- und Hardrock-Fans: kaufen!

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