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Coma Ecliptic

Vor 11 Jahren erschien mit „The Human Equation“ eine der herausragenden Progressive-Rock-Opern des niederländischen Projekts Ayreon, hinter dem Multi-Instrumentalist Arjen Lucassen und wechselnde Solisten stehen. Das Konzeptalbum handelt von einem Mann, der ins Koma fällt. Den gleichen konzeptionellen Rahmen hat „Coma Ecliptic“, das siebte Album der amerikanischen Prog-Metaller Between the Buried and Me. Musikalisch lassen sich die beiden Alben abgesehen von einem grundsätzlich progressiven Ansatz absolut nicht vergleichen. Das Erfolgrezept von BTBAM war und ist eine einzigartige Mischung aus Metalcore/Mathcore und Progressive Rock. Obwohl das US-Quintett bereits seit 15 Jahren besteht, zählen sie mit ihrem Stil eher zur der „modernen“ Prog-Metal-Ecke, in der sich Bands wie Animals As Leaders, Architects, Periphery, Sikth, Tesseract und ähnliche Namen bewegen.

Dementsprechend bewegt sich der Sound auf „Coma Ecliptic“ in einem enormen Spektrum von enorm ruhigen Abschnitten, die an klassische Prog-Bands erinnern bis hin zu extrem harten und anspruchsvollen, fast „mathematischen“ Elementen. So nimmt das Album mit ‚Node‘ sowie ‚The Coma Machine‘ relativ ruhig an Fahrt auf. Langsame Keyboardpassagen und ein beinahe meditativer Gesang werden aber bereits hier von Riffs in untypischen Taktarten und Growls und Screams aufgebrochen. Die Zwei-Minuten-Nummer ‚Dim Ignition‘ ist ein chilliger Electro-Prog-Einwurf, auf den das zu Beginn neoklassische ‚Famine Wolf‘ folgt. An letzterem hätte wohl Gitarrenzauberer Yngwie Malmsteen seine wahre Freude – obwohl die Herren wie ähnliche Bands häufig Ideen nie zu sehr ausreizen. Ein sieben Minuten langer Neoklassischer Metal wäre viel zu vorhersehbar – und so wechseln sich auch hier heftige Screamo-Parts mit klarem Gesang, bei dem einmal mehr Prog-Klassiker wie Genesis oder Gentle Giant Pate gestanden haben könnten und Sprechgesang, der fast etwas an Hip-Hop erinnern würde, wären da keine Gitarren-Leads. Spannende Sache, die sich nicht gleich nach dem zweiten Mal hören abnutzt. Der Beginn von’King Redeem – Queen Serene‘ könnte von Steven Wilson sein, der mit seinem jüngeren Solomaterial ja bekanntlicherweise ruhig-intelligenten Prog-Rock zelebriert. Aber auch hier keine Chance, länger dabei zu bleiben. Stattdessen Growls und irres Riffgeschredder in den schrägsten Taktarten. Doch die Jungs schaffen es, einen melodischen Groove in diese Psychose von einem Metal-Song zu implementieren. ‚Turn Down The Darkness‘ verknüpft Jazz-Fusion mit Death-Metal-Growls und psychedelischen 70er-Jahre-Keyboards, während ‚The Ectopic Stroll‘ mit Satzgesang gefällt. Bei den letzten Stücken ‚Rapid Calm‘ und ‚Memory Palace‘ überwiegen trotz einiger heftiger Eruptionen die entspannten Töne mit ruhigem Gesang und sanften Keyboards. ‚Life in Velvet‘ erinnert zunächst fast etwas an eine balladeske Britpop-Nummer, und bewegt sich dann mit einem Hang zum Drama und einer Note Dream Theater auf die letzten Growls des Albums zu. Klar, daß hier Klischees mit Füßen und Fäusten von der Platte geschmissen werden. Wow, was für ein Reichtum an Ideen und Mut, dieselben miteinander zu verknüpfen, so unkonventionell sie auch erscheinen mögen.

Wer die letzten Alben der Animals as Leaders oder Periphery mochte, der findet hier einmal mehr erstklassig-anspruchsvolles Modern-Prog-Studentenfutter der härteren Sorte mit einer hohen stilistischen Diversität. Was will man mehr sagen? Ein wunderbar aufregendes Stück Musik mit sättigendem Effekt für Hirn und Bauch.

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