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Limp.Gasp.Collapse

Das was der Punk für den Rock ist, ist der Thrash für den Metal: Politisch, sozialkritisch, unbequem, bisweilen auf der Gratwanderung zwischen Provokation und einfach nur daneben. Die Idee, mit dem doppelten S oder der Sigrune zu provozieren, ist in beiden Genres schon seit längerer Zeit ein beliebtes Stilmittel; Führe der Gesellschaft ihre wunden Punkte vor, drücke dort in die – wenn auch schon vernarbte – Wunde, wo es weh tut.

Auch SSS aus Liverpool bedienten sich bereits dieses Stilmittels. Doch treiben es die Thrash-Metaller noch ein Stück weiter. So steht SSS als Abkürzung für ‚Short, Sharp Shock‘ und bezieht sich auf eine Aussage des Wahlprogramms der Konservativen Partei Groß-Britanniens, mit der Margaret Thatcher die Wahlen im Jahre 1979 gewann und zur Premierministerin wurde. Inhaltlich ging es damals unter Anderem um eine Reform des Jungendstraf-Systems. Es sollte ‚effizienter‘ gemacht werden, jugendliche Straftäter für maximal vier Monate in Gewahrsam nehmen und die eventuell verkürzte Haftzeit durch ein härteres Regime ‚ausgleichen‘. Die Haft sollte also auf die kriminellen Jugendlichen wie ein Short, Sharp Shock wirken.

‚Limp.Gasp.Collapse‘ – zu deutsch hinken, keuchen, zusammenbrechen ist das neueste und vierte Album von SSS und kommt mit vierzehn Tracks daher, deren Länge sich irgendwo zwischen fünfunddreißig Sekunden und zehn Minuten bewegt. Die Gitarren thrashen dem Hörer ehrliche, knackige Riffs um die Ohren, während der Bass, vom Schlagzeug-Kreuzfeuer begleitet, ähnlich einem V8-Motor ohne Abgaskrümmer in Solopassagen mal blubbernd, mal röchelnd jede noch so kleine Lücke stopft und verhindert, dass während der fast vierzig-minütigen Spielzeit so etwas wie Stille einkehrt. Wütend keift Sänger Foxy dazu mal im Stile Roger Mirets, mal nicht fern der Gangart Steve Souzas die Songtexte von Titeln wie ‚For Your Own God‘, ‚Slave Of Persuasion‘ oder ‚Capacity Overload‘ um des Hörers Ohren. Und was im Nachhinein zumindest bei mir hängen bleibt, ist das Rezitativ eines unbekannten Sprechers, der zum Ende des letzten Tracks ‚Crushed By Drudgery‘ Karl Marx zitiert: ‚The production of too many useful things results in the creation of too many useless people.‘ Touché.

Auch wenn es schwer fällt, durch das Gekeife und den sehr präsenten Liverpooler Scouse-Accent die Songtexte des Albums zu entschlüsseln, so sind sie es ganz sicher Wert, sich näher mit ihnen zu beschäftigen. Und selbst wer dafür nicht die Geduld aufbringen mag, kann sich immer noch am Musikalischen, am brachialen Dagegen-Sound erfreuen. So oder so – hörenswert ist ‚Limp. Gasp. Collapse‘ in jedem Fall.

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