|

Freedom

Was macht man, wenn man eine ganze Generation musikalisch geprägt und immer wieder überrascht hat? Nun, im Fall von Refused wird erst mal die Trennung bekannt gegeben. Das Überraschungsmoment war, nachdem sie sich bereits 1998 auflösten, vor drei Jahren mal wieder auf der Seite der Schweden. Glücklicherweise haben es die Musiker nicht lange ausgehalten und kehrten 2014 mit zahlreichen Reunion-Shows, jedoch nicht mit neuem Material zurück.

Jetzt, 17 Jahre nach dem letzten Studioalbum, gibt es erneut einen großen Knall. ‚Freedom‘ heißt das wohl am längsten von Fans ersehnte Album der Schweden. Da man jedoch daran gewöhnt ist, dass Refused immer alles anders und unkonventionell machen, ist der Druck groß. Nicht nur auf die Band, auch auf den Fans. Denn wenn man so lange gewartet hat, muss man das neue Material ja fast schon toll und bewusstseinserweiternd finden. Die Angst vor ‚früher waren die irgendwie besser‘ ist riesig. ‚Freedom‘ ist ein eckiges, kantiges und oft unbequemes Album mit Überraschungen am Fließband. Während der vorab schon veröffentlichte Opener ‚Elektra‘ ein rockiger Weckruf im scheinbaren Chaos ist, der schon ein wenig an ihren Evergreen ‚New Noise‘ erinnert, geht es danach mit dem groovigen ‚Old Friends/New War‘ in ruhigere, aber nicht weniger energiegeladene Gefilde. Mit verzerrter Stimme und einem ‚gehechelten‘ Beat beginnt der Song fast unheimlich. Plötzlich setzt eine Akustik-Gitarre ein und den Rest macht Sänger Dennis Lyxzén mit seinen Schreien und an 80er-Synthie-Pop erinnernder Gesang. Ja, Herr Lyxzén singt tatsächlich ungewohnt oft. Es ist nicht mehr ausschließlich das verzweifelte und wütende Geschrei. Wütend sind die Schweden noch immer. Das wird vor allem im ebenfalls vorab veröffentlichten Song ‚Dawkins Christ‘ deutlich. Hier sind wir wieder beim Hardcore-Punk, der diesmal mit harten Metal-Riffs gespickt ist.

Besonders hervorzuheben ist ‚Francafrique‘. Zunächst eher funkig, aber mit klarer Message, den ein Kinderchor rappend durch die Boxen schreit. ‚[i]Exterminate The Brutes. Exterminate All The Brutes. / Murder, Murder, Murder, Murder, Murder, Murder. / Kill, Kill, Kill[/i]‘ Hier wird auf sehr direkte Weise die nach wie vor existierende Ausbeutung Afrikas angeprangert. Trotzdem klingen die neuen Songs keinesfalls wie Protest-Songs à la Bob Dylan. Es ist das perfekt durchstrukturierte Chaos, das Refused schon immer auszeichnete. Bei jedem Song fragt man sich, selbst als Musiker, wie sich alle Bandmitglieder ihre Parts überhaupt merken können. Keiner gleicht dem anderen. Auf ‚Freedom‘ gerät eine sehr funkig-rockige Seite immer wieder in den Vordergrund. In ‚War On The Palaces‘ setzen sogar Bläser ein. Der Gesang erinnert vereinzelt an Dave Grohl. Für die, die nicht daran geglaubt haben, dass Refused noch überraschen können: Sie können es – und wie. Die Schweden sind perfekte Musiker, die in jedem Augenblick wissen, was sie tun. Von einer angezogenen Handbremse kann man trotzdem nicht sprechen. Kaum eine andere Band kann so viel Leidenschaft, kritischen Inhalt und diverse Genres so vermischen, wie Refused. Das lässt sie auch nach 17 Jahren ohne neues Material noch immer zu den wichtigsten Musikern unserer Zeit gehören. ‚Freedom‘ ist nicht nur für die Fans, die das Ganze ja toll finden müssen, ein Pflichtkauf. Ein unbequemer Leckerbissen für jeden, der sich mit Musik beschäftigt.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar