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Led Zeppelin – Wandlungsworte vom Rock-Olymp (Rückblick Teil IV)

Langsam aber sicher bewegen sich Led Zeppelin Mitte der Siebzigerjahre aus dem Epizentrum der musikalischen Allgemeinbildung heraus, um ihren verglühenden Zenit gebührend zu feiern. Nun ja, mehr oder weniger: Sänger Robert Plant hatte es 1975 böse erwischt, als er in Griechenland mit seinem Auto verunglückte. Die Welttournee war dahin; Plant trotzte den Umständen im Rollstuhl und fuhr in ebendiesem auch in den Musicland Studios in München ein. Fern der Familie, offensichtlich stimmgeschwächt und klaustrophobisch gestimmt schleifte die Band ihren Invaliden durch die Aufnahmen. Jimmy Page spielte mehr Gitarren ein, als dass er schlief, und auch Produzent Keith Harwood schuftete bis zum Umfallen. Schließlich sollte ‚Presence‘, das (… Fun Fact …) wegen des Datums seiner Fertigstellung am 26. November 1975 um ein Haar ‚Thanksgiving‘ geheißen hätte, im Kasten sein, bevor 18 Tage später die Rolling Stones ebendort am Zuge waren. Große Hetze, arger Ärger also – aber es gelang. Und schoss seinem Sujet entgegen – es kreist inhaltlich um Rückschläge aller Art – in Großbritannien und den USA abermals an die Chartspitzen. Verdientermaßen, ruft die Band doch allein im kolossalen Opener ‚Achilles Last Stand‘ sämtliche Stärken ab und liebäugelt nebenbei tatsächlich mit dem Heavy Metal. Lustiges Detail nach wie vor: das rätselhafte schwarze Obelisken-Objekt, das sich in den Artworks zum Album in Alltagsszenen einschleicht. Und der Reference Mix von ‚Royal Orleans‘ auf der Begleit-CD, in dem ausnahmsweise eine drastisch abweichende Gesangsspur zu hören ist. Bist du das etwa, Robert?
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Mit dem in Stockholm aufgenommenen ‚In Through The Out Door‘ folgte vier Jahre darauf das letzte „echte“ Album der Ausgewanderten mit a) neuen Songs und b)der Perkussionspersonalie John Bonham, der schon recht bald und recht tragisch seinem Alkoholmissbrauch zum Opfer fallen sollte. Jimmy Page hatte parallel mit seiner Heroinsucht zu kämpfen, weswegen mehr Verantwortung denn je auf dem Duo Plant-Jones lastete, das tagsüber das Gros der Songs auf die Beine stellte, während ihre beiden angeschlagenen Kollegen des nachts ihre Parts beifügten. Vor dem Hintergrund der weiterhin eher ungünstigen Umstände allerdings erscheint die Musik geradezu unangemessen aufgekratzt und überschwänglich. Das melancholietrunkene ‚All My Love‘, einen Song, mit dem sich auch Jimmy Page (der ausnahmsweise mal nicht seine Feder im Spiel hatte) nie so richtig anfreunden konnte, macht diese Grundstimmung zum glanzvollen Außenseiter der Platte. Aber wenigstens hatte Plant seine Stimme wieder. Jetzt durften sich im Übrigen auch diejenigen Softies Fans nennen, die es vorher nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Der zunehmende Einsatz auch elektronischer Elemente tat sein Übriges. Es waren nicht mehr die Led Zeppelin von damals. Aber dass sie wirklich nachgelassen haben sollten ..? Unmöglich.

Was das Optische angeht, hat sich das Label auch hier nicht lumpen lassen. Die Re-Issue-Ausgaben kommen wie schon das Original als liebenswerte Loseblattsammlung in brauner Papptüte (Achtung: Nicht wegwerfen!) daher – Scheibenwischer-Symbolik inklusive. Nur beim Inlay sollte man es dann doch nicht zu genau nehmen und es wie damals mit Wasser probieren, wenn man noch länger Freude an seinem 2015er-Exemplar haben möchte. Gegen einen Verifizierungs-Trip nach Louisiana hingegen, in die 400 Bourbon Street in New Orleans – dort soll sich die abgebildete Bar befinden – spricht wenig.

‚Coda‘, was wörtlich soviel bedeutet wie „Schwanz“, steht im musikalischen Jargon für ein finales Anhängsel, gewissermaßen die Ausklangeinheit eines Stückes. Kein schlechter und erst recht kein unwürdiger Titel für den Abgang einer großen Band. An ‚I’m Gonna Crawl‘, das Schlusslicht von ‚In Through The Out Door‘, scheint der ‚Coda‘-Opener ‚We’re Gonna Groove‘ zumindest titelgemäß glatt anknüpfen zu wollen. Zwei Jahre nach der mit John Bonhams Ableben einhergehenden offiziellen Auflösung bediente man nicht nur die Vertragsbestimmungen des bandeigenen „Swan Song“-Labels, sondern betrieb zugleich auch Resteverwertung. Eine der luxuriöseren Art, versteht sich. Nicht, dass andere Varianten in Frage gekommen wären: Glaubt man der Band, soll das komplette Opus mit dieser letzten Kehre auch im weiteren Sinne ausgeschöpft und keine Spur an Verschnitt mehr zu deklarieren gewesen sein.

Dies geht heute auf die Kappe des mitgelieferten Proviants: Auf zwei Companion-Discs – eine davon versteckt sich im Booklet – übt sich ‚Coda‘ im Rückgriff und schleudert noch mal ohne die gewohnte strenge Album- beziehungsweise Schaffensphasenbindung alles raus, was da noch ist. Unter Umständen auch maskiert. So stellt sich ‚If It Keeps On Raining‘ als eine Art geraffte Fassung von ‚When The Levee Breaks‘ vom vierten Album heraus. Allerdings besteht das Bonus-Sortiment aber bis zuletzt vorwiegend aus für die Allgemeinheit relativ entbehrlichen Sammlerartikeln. Andererseits: Besitzer geübter Ohren und/oder Patina-Fetischisten werden der Augenwischerei unter Umständen einiges abgewinnen können.
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Mit ‚Hey, Hey, What Can I Do‘, dem einzigen Non-Album-Track von Led Zeppelin und damaliger B-Seite der ‚Immigrant Song‘-Single, fällt der Vorhang. Der Fan darf sich das letzte diskographische Mosaiksteinchen ins Re-Release-Regal schieben und sich seines kleinen Beitrags zum nahezu sicheren Wiedereinstieg in die Charts rund um den Globus gewiss sein. Es ist amtlich: Das Zeppelin-Prinzip geht noch auf – und sei es nur aus Nostalgie. Wenn diese umjubelte Reihe etwas geleistet hat, dann einen Schub an Geschichtsbewusstsein. Eine neu auflebende – oder eher sanft wachgestupste – Reminiszenz an die Zeit, die den Rock ein wenig härter machte. Led Zeppelin haben diese ganze nie Kosmetik nie gebraucht, aber doch jede musikindustrielle Ehrerbietung redlich verdient.

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