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Lament


Was soll jetzt eigentlich noch kommen? Diese Frage haben sich nicht nur die Fans, sondern auch Touché Amoré gestellt, als sie mit den Arbeiten an „Lament“ (Epitaph) begonnen haben.

Rückblick: 2016 veröffentlicht die Post-Hardcore-Gruppe wohl einen der eindringlichsten und emotionalsten Longplayer dieses Jahrtausends. Sänger Jeremy Bolm verarbeitet auf dem Konzeptalbum „Stage Four“ den Krebstod seiner Mutter so intensiv, dass es den Zuhörer schier zerreißt und er den Schmerz seelisch und körperlich nachempfinden kann. Die Band erreicht ihren musikalischen Höhepunkt. Aber wie macht man nach so einem Meisterwerk weiter? Epitaph-Label-Chef und Bad-Religion-Gitarrist Brett Gurewitz gab dem Quintett einen gut gemeinten Rat: Sie sollen einfach das beste Album ihrer Karriere schreiben.

Nun steht „Lament“ im Plattenladen und muss das schwere Erbe antreten. Grundlegend anders ist, dass die Songs nicht durch ein durchgängiges Motiv zusammengehalten werden. Vielmehr stehen diese inhaltlich für sich alleine. Dabei gibt es neue Themen im Touché-Amoré-Kosmos. So zeigen sie sich in „I’ll Be Your Host“ ungewohnt politisch und „Come Heroine“ oder „Savoring“ berichten von menschlicher Geborgenheit. Es sticht ins Auge, dass die Los Angelinos einen ungewohnt positiven Grundton anschlagen. Besonders deutlich wird dies in „Reminders“. Den Track schrieben sie, nachdem das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump gescheitert war. Dies frustrierte sie so, dass sie ein Lied machen wollten, das daran erinnert, dass es trotz allem gute Seiten im Leben gibt. Passend dazu wirkt der Song musikalisch, als wäre eine Brise mit Blink-182-Einflüssen vom Strand herübergeweht. Ein Video, in dem fröhliche Freunde und Musikerkollegen gemeinsam mit ihren glücklichen Haustieren zu sehen sind, rundet die Sache ab, macht sie jedoch ebenso skurril.

Dennoch kann die neue Scheibe musikalisch überzeugen. Die zuletzt vorhandenen Indie-Einflüsse sind leicht zurückgeschraubt worden. Dafür ist die eine oder andere Kante wieder vorhanden, was Fans der ersten Stunde freuen dürfte. Auch die Gesangsversuche von Jeremy Bolm haben ein Ende genommen. Er konzentriert sich lieber wieder auf das ausdrucksstarke Schreien und schafft es dennoch, Melodien zu vermitteln. Dies können nicht viele Frontmänner von sich behaupten.

Es wäre wahnwitzig, „Lament“ tatsächlich mit seinem Vorgänger „Stage Four“ vergleichen zu wollen. Dies würde nur schief gehen und dem neuesten Werk von Touché Amoré nicht gerecht werden. Denn ihr neuer Longplayer ist für sich gesehen wieder eine starke Post-Hardcore-Scheibe geworden. Sie besitzt zwar nicht mehr die Intensität früherer Alben, weist dafür aber die ein oder andere frische Nuance auf.


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