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Karl Walterbach – Der Mann, der Heavy Metal machte

Nun wurde unter dem Namen „Noise Records“ Retrospektiven eben dieser Bands veröffentlicht und niemand geringeres als Karl Walterbach selbst kümmert sich um einen Teil der Promotion, schließlich wären alle diese Bands ohne ihn nicht dort, wo sie jetzt stehen. Wirklich „zurück“ bei einem Label mit dem Namen „Noise“ ist Karl Walterbach aber nicht.

Also ich unterstütze die Neuveröffentlichungskampagne von BMG lediglich mit Interviews. Weiter bin ich da nicht eingebunden. Die NOISE-Rechte liegen ja jetzt bei BMG. In 2001 hatte ich das Label an Sanctuary verkauft, nach deren Konkurs in 2007 erwarb UNIVERSAL die Rechte, machte aber nichts damit und verkaufte diese in 2013 an BMG.

Weiter darüber hinaus gehende, tiefgehendere Veröffentlichungen zum Beispiel von vergriffenen Alben wird es aber wohl nicht geben.

BMG ist eine Kooperation und soweit denken die nicht. Die bringen jetzt alles nochmal raus was Umsatz verspricht, d.h. alle Seller des NOISE-Labels. Aber BMG gibt sich bei dem, was sie veröffentlichen schon Mühe, da wird mit den Musikern an Fan-Editionen gebastelt.

karl-web.jpg „Der Verkauf des Noise-Labels damals war von der heutigen Zeit betrachtet ja ein ziemlicher Einschnitt, und danach standen gänzlich andere Dinge im Fokus. Bereut Karl Walterbach diesen Schritt im nachhinein, diesen Ausflug in „metalfremde“ Gefilde?

Nach dem Labelverkauf hatte ich reichlich Geld und das muss irgendwie angelegt werden, daher dann Geschäfte in der Baubranche. Aber da laufen sehr viele Betrüger herum und solch einem hatte ich vertraut – wie auch meine Hausbank. Tja aus Erfahrung wird man klug…

Nichtsdestotrotz war auch dieser Rückschlag zwar einschneidend, aber nicht von unendlicher Dauer. Zu den neuen Aktivitäten später mehr… bis dahin sollte man einen der Chefdenker des Genres ruhig mal zurückblicken lassen auf Jahrzehnte des Metals.

Die digitale Revolution hat alles auf den Kopf gestellt. Plattenveröffentlichungen bringen kein Geld mehr für die Bands und sind in der Regel nur noch Marketinginstrumente damit der Live-Bereich angeschoben wird. Für die Labels sind Newcomer heute Hoch-Risiko-Projekte wegen der extrem geschrumpften Margen und der fehlenden Verkaufsdynamik. Es werden daher zumindest von den etablierten Metal-Labels, die international operieren, deutlich weniger Newcomer unter Vertrag genommen. Und diese wenigen werden dann auch noch mit Haut und Haaren geschluckt, d.h. man drückt diesen Bands die berüchtigten 360 Grad-Deals auf. Alle wichtigen Rechtsbereiche sind dann weg. Und wenn nicht ausserordentlicher Erfolg eintritt – was bei der momentanen Marktsituation eher unwahrscheinlich ist – „verhungern“ diese Bands. Kontinuierlicher Bandaufbau der für Metal-Bands so wichtig ist, findet nicht mehr statt. Typisch für diese Entwicklung ist der BLUES PILLS-Hype.

NOISE2CD002-Helloween-hires-400.jpg „Von diesen Deals war ja schon früher die Rede, aber heutzutage ist das wohl immer schlimmer geworden.

Die heutigen Plattenverträge der etablierten Metal-Labels sind brutal und drehen die Zeit in die 60er zurück, als den Bands grundsätzlich nur einseitige Verträge angeboten wurden. Die Krise macht’s möglich! Die Bands müssen verstehen dass die Labels keine Zukunft bieten, die erwerben die Rechte heute und können morgen schon in Konkurs sein (oder verkauft werden), so unstabil ist der Markt. Dann sind nicht nur die Rechte weg, sondern Du bist paralysiert da Du ja aus Sicht der Konkursverwalter zum Firmen-Vermögen (Asset) gehörst. Das kann dann 2-3 Jahre dauern, bis Du weisst woran Du bist. Eine Band überlebt das nicht. Man muss klar sehen dass der Musikmarkt sich in Richtung Service bewegt und die Rechteverwerter -die Labels- sind die aussterbenden Dinosaurier. Service sind Marketing + Promotion-Dienstleistungen, ist Booking, ist Management. Das alte Label-Modell läuft in beschleunigter Weise aus.

Es ist natürlich – eben aufgrund solcher Verträge – sehr schwer, Statements von Bands dazu zu bekommen, die meistens erst mit solchen Dingen herausrücken, wenn sie wieder in Eigenregie arbeiten – oder sich managen lassen, und genau das ist es, was Karl Walterbach jetzt macht.

Ich sage als Manager – meinem neuen Arbeitsfeld – das junge Bands sich von der Labelfixierung befreien müssen. DIY flankiert mit einem engagierten Booker, evtl. einem (Personal) Manager sollten die ersten 2 Jahre die Achsen sein, um die sich eine Band dreht. Die Bedeutung der Labels fällt rapide. Noch in diesem Jahrzehnt werden alle grösseren Metal-Labels verschwinden weil sie entweder verkauft wurden oder pleite gehen. NOISE, Roadrunner,Century Media wurden ja schon geschluckt, Sanctuary ging in Konkurs. Die Eigentümer der grossen Labels sind alle nah an den 50 und das ist das Alter zum Ausstieg, insbesondere angesichts des weiteren Marktverfalls vorangetrieben durch Streaming.

Das was manche als Glückseligkeit empfinden – per Internet die ganze Welt zu erreichen – kann sich also für klassische Labelarbeit als endgültiger Killer erweisen. Was ist aber mit den digitalen Medien als Plattform, neben der fehlenden nachhaltigen Entwicklung hat doch das Internet und all die neuen Medien auch ein positive Seite, was Promotion angeht?

Marketing im digitalen Umfeld ist ausserordentlich komplex geworden und die Magazine haben ihre Meinungsmacher-Funktion verloren. Jedes gekaufte Review wird ja sofort enttarnt wenn man mit einem Klick sich die Musik im Netz reinziehen kann. Das Stichwort hier für die DIY-Strategen ist Awareness und direkte Fan-Interaktion sowie Vernetzung.

. Die Bands sind die eine Seite – die Hörer die andere. Viele der alten Helden sind eben das – alt. Es gibt aber auch jede Menge Nachwuchs, sogar bis in den Hipster-Bereich hinein, der sich die eine oder andere neue Scheibe, der man in irgendeiner Form einen Poststempel aufdrücken kann,zu Eigen gemacht hat. Durch das Internet steht selbst den entferntesten Hörern alle Musik der Welt zur Verfügung.

Bei manchen entsteht sicher die Gefahr, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie da hören und wie es dazu kam, dass sie so etwas überhaupt hören können. Andere wiederum verarbeiten all diese Inspirationen in dem was sie tun. noise.jpg „Genauso ist es auch bei den Bands, die Karl Walterbach heute managt.

Ich betreue ja im Grunde genommen als Manager drei Bands, die alle wesentlich von den 70ern und 80ern beeiflusst sind. Wucan, mit ihrem 70er Jahre Retro Rock, Alpha Tiger, die sich an die 80er anlehnen und auch Hammercult. Da sehe ich hautnah, welchen Einfluss die kreativen Bands dieser vergangenen Jahrzehnte ausüben und welche Faszination. Jungen Musikern erschliesst sich durch die Digitalisierung auf einmal die ganze Weite unserer Musikgeschichte in akustischer Form. Das ist revolutionär. Diese Impulse werden weitreichende Folgen haben und die aktuelle Szene in den kommenden Jahren befruchten. Es geht hier ja nicht ums kopieren, sondern um Inspiration. Die Konsequenz manifestiert sich deutlich LIVE: die Oldtimer sind allesamt „in“, und das geht weit über die grossen Namen hinaus.

Das Management der neuen Bands ist Herzensangelegenheit…. …und es ist ja viel Erfahrung da, kaum einer kann ein Portfolio voller Legenden aufweisen. Dennoch ist es heute anders als damals.

Die Dynamiken sind weg. Man braucht schon einen langen Atem beim Bandaufbau. Und es ist recht schwierig geworden, ganz junge Bands mit Vision zu finden. Mit ganz jung meine ich so um die 20. Die Metal-Szene ist extrem überaltert.

Dennoch hat Karl Walterbach es geschafft, Bands zu finden, die dem nicht entsprechen. Visionär, jung, und niemals gleich. Stilistisch jedoch auch ganz anders als das, was damals unter dem Noise-Banner so erfolgreich war. Konservative Metalheads könnte das verwundern, wie man solche Schritte kreuz und quer durch den rockigen Gemüsegarten machen kann.

Ich mag diesen Begriff „konservativ“ nicht. Für mich ist Musik ENERGIE. Und wenn die richtige Energie bei einer Band rüberspringt, kann der Funke selbst bei beinharten Genre-Fans zünden. Es gibt da in der Musikgeschichte viele Schlüsselbands. Nimm als Beispiel VOLBEAT und deren kometenhaften Aufstieg seit 10 Jahren. Deren Fans waren/sind ein Amalgam verschiedener Musikstile. Ich sehe etwas ähnliches grade in der sog. Retro-Szene wo Blues, Hard Rock, Psychedelic, Kraut Rock etc. in wildesten Mischungen kombiniert werden und wo die Szene kontinuierlich wächst und dabei ist, aus dem Untergrund herauszuwachsen.

Und nach welchem Auswahlverfahren übersteht eine Band die Bewerbung bei ihm?NOISE2CD005-Running-Wild-hires-400.jpg

Wenn ich mich für neue Bands interessiere gibt es mehrere Kriterien die mich leiten: das Alter (die Band sollte jung sein), die musikalische Vision und die Image-Idee, die Persönlichkeit des Sängers und dann natürlich das Songwriting! Oft reicht schon der Blick auf ein Band-Foto um mich festzulegen. Deren Bedeutung wird oft sehr unterschätzt! Viele Branchen-Kollegen sind der Meinung eine Band müsste der Hammer auf der Bühne sein. Das seh ich anders. Junge Bands ohne Live-Erfahrung können mit den Live-Routiniers einfach nicht mithalten. Alle NOISE-Bands der ersten Stunde habe ich nicht Live gesehen, bevor ich sie unter Vertrag nahm. Gleiches gilt für meine jetzigen Bands die ich manage, und alle drei Bands sind der absolute Hammer live! Motivierte Bands entwickeln sich.

Also ein schöner Tip: Ab zm Fotografen! Auch heute hat Karl Walterbach also wieder seine Finger im großen Metal-Spiel, aber wie man seinen Fuß zum ersten Mal zwischen die Tür bekommt ist sicherlich wichtig. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort? John McClane hätte wohl niemals Metal-Label-Boss werden können…

Ich war mit Punk (Slime, Toxoplasma, Misfits, Black Flag), Metal (Helloween, Kreator, Celtic Frost, Gamma Ray, Stratovarius, Voivod etc.), Industrial (Oomph!) erfolgreich und denke schon das man einen Riecher braucht. NOISE war das grösste Metal-Label der 80er mit grossem internationalen Erfolg, Büros in LA, NY, London, Berlin und vertrieb in 43 Ländern – all das aufgebaut auf dem Talent und Erfolg unserer Bands. Trotz der vielen Aufgaben als Labelchef habe ich A+R, also Talentfindung, nie delegiert.Im Herbst kommt bei IRON PAGES/Berlin das Buch zur NOISE Geschichte unter dem Titel „Verdammte Musikindustrie“ (english: „Damn the Machine“)heraus und wird das alles nochmal haarklein nachzeichnen.

Wenn man diese Namen liest, bekommt man große Augen und sieht noch einmal, wie wichtig und wie wegweisend die Arbeit von Noise damals war. Dennoch – von Slime & Co. zu Celtic Frost ist schon ein denkbar großer Schritt. NOISE2CD007-Skyclad-hires-400.jpg „Von wild und politisch zu spießig und konservativ (so zumindest wird der Metal ja gern mal gesehen…)?

Punk kam durch den Hype der New Wave und in Deutschland der NDW in eine Krise. Zufällig hatte Greg Ginn, der Gitarrist von Black Flag, mich immer in Diskussionen über Metal verwickelt, den ich aber damals 81/82 nicht mochte.Trotzdem hatte ich die Szene beobachtet. Als dann in ‘83 Thrash aufkam war ich Feuer und Flamme.Slayer, Metallica und Metal Blade, das war es für mich und ich habe versucht in der BRD Pendants dazu zu finden. Nicht einfach damals, da der Metal Underground Anfang 1983 noch embryonal war.

Aber es hat funktioniert, und zwar überragend gut. Heutzutage legen ja viele Wert auf Message, Wirklichkeit, gar Politik, etwas das damals in der eben eher unpolitischen Metalszene ganz und gar inexistent war.

Muß Musik heute politisch sein? Im wahrsten Sinne des Wortes nicht, im übertragenen Sinne schon.

Ich mag diesen Begriff „politisch“ nicht, das ist mir zu weit vom Leben weg, halt abstrakt. Und alles was mit Politik und Staat zu tun hat verabscheue ich zutiefst. Mit Politik und Politikern (egal welcher Ausrichtung) verbinde ich immer negativste Eigenschaften. Aber wenn Du meinst Musik sollte aus Traumwelten ausbrechen und sich der Wirklichkeit mehr stellen, dann ja, dem Stimme ich zu.

Ist durch all diese Neuerungen der moderne Metal schlechter? Anders? Besser? Relevanter?

Es gibt nicht den METAL generell. Metal hat sich aufgeteilt in viele unterschiedliche Sub-Genres und darin liegt auch für die Bands das Problem. Ein Subgenre allein kann nicht eine Band unterhalten. Also früher oder später muss eine Band ausbrechen, wenn sie von der Musik leben will. Das ist immer ein ganz schwieriger Schritt. Den Untergrund zu verlassen und 1000 oder 2000 Zuschauer oder mehr bei Konzerten anzuvisieren.

Aber es geht, auch ohne Hype und mit ehrlicher Arbeit. Viele Bands stehen ja dadurch mittlerweile sogar auf Platz 1 der Charts, gerade in Deutschland charten ja auch die unwahrscheinlichsten Bands mal auf Platz 1. Das ist aber nicht typisch deutsch, weil Metal nun einmal in Deutschland eine Hochburg hat. Es ist eigentlich völlig wertlos.

Diese Chartpositionen sind doch reine Fiktion. Da stehen doch banale Verkaufszahlen hinter! Selbst eine TOP-Band wie Iron Maiden schafft nicht mehr als 50-60.000 verkaufter Alben in Deutschland, ungefähr 1/5 von dem was in den 90ern auf Platz 1 möglich war. Die TOP-Positionen für Metalbands kommt nur deshalb zustande weil Metal-Verkaufszahlen weniger brutal eingebrochen sind als POP oder RAP.

Ein feines Schlußwort, zeigt es doch, dass der Metalfan eben doch noch mehr und öfter zum Albenkauf greift als der Rapper von Nebenan. Ganz zum Schluß muß Karl Walterbach dann aber noch seine Lieblingsbands nennen… und wie es mit der Liebe so ist, die allererste vergeht nie.

Meine Lieblingsbands sind immer noch die Punk Bands Slime, Black Flag und Toxoplasma. Und musikalisch mochte ich die Helloween der Keeper- Alben sehr.

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