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JAN PLEWKA & MARCO SCHMEDTJE – „Warum muss denn jeder jetzt ein eigenes Lied schreiben?“

Jan Plewka und Marco Schmedtje machen seit mehr als 20 Jahren zusammen Musik. Schmedtje war es, der Plewka nach dem (vorläufigen) Ende seiner Band Selig beim Schreiben seiner Solo-Platte „Zuhause da war ich schon“ (2002) unter die Arme griff. Seitdem sind die beiden in zahlreichen Projekten zusammen unterwegs, in der Band Zinoba oder mit der Schwarz-Roten-Heilsarmee bei musikalischen Themen-Abenden wie zwei Rio-Reiser- und einer Simon & Garfunkel-Inszenierung. Wenn es etwas kleiner und leiser sein soll, sind die zwei Musiker als Duo nur mit einer Akustik-Gitarre unterwegs. In dieser Besetzung haben sie nun ein Cover-Album mit Hits der 80er Jahre aufgenommen, das sie nun veröffentlichen und auf einigen Konzerten vorstellen. Whiskey-Soda trifft Jan und Marco kurz vor ihrem Konzert in der Lindenbrauerei in Unna zum Gespräch.

Hallo Jan, hallo Marco!

Beide: Hallo!

Marco, vor etwas mehr als einem Jahr ist Deine Solo-Platte rausgekommen, damals haben wir uns auch lange unterhalten. Wie zufrieden bist Du mit der Resonanz auf die Platte?

Marco: Joah…in dem Rahmen, in dem ich da unterwegs war…wegen Corona war nicht viel live zu spielen und das merkt man dann natürlich. Es war gerade so auf einem Peak im November, dass selbst in Hamburg (Anmerkung: Wohnort und somit eigentlich ein Heimspiel) die Leute Schiss hatten, weil sie sich nicht anstecken wollten. Deshalb war live schwierig, aber ansonsten bin ich damit zufrieden.

An dem Tag, an dem wir das Interview geführt haben, warst Du noch ganz optimistisch für die anstehenden Heilsarmee- und zwei Solo-Konzerte, direkt am Nachmittag, nur ein paar Stunden später, kamen die Absagen.

Marco: Diese beiden eigenen Shows haben auch gerade noch so stattgefunden, bevor alles wieder zu ging. Es war aber auch im Vorfeld schon gar nicht möglich, mehr zu buchen. Das geht uns heute immer noch so: Die Veranstalter -und auch alle anderen- sind immer noch vorsichtig, das ganze Live-Geschäft ruckelt immer noch ein bisschen, weil der Karten-Vorverkauf so schwierig läuft.

Du hast jetzt aber auch noch nichts Weiteres geplant?

Marco: Nee, wir haben jetzt erstmal das hier am Start, und dann schauen wir mal weiter.

Marco Schmedtje

Kommen wir zum aktuellen Projekt „Between The 80´s“: Ihr seid seit mehr als 20 Jahren musikalisch zusammen, mit Jans Solo-Platte ging es los, dann Zinoba und die Rio- und Garfunkel-Programme. Mit „Between The Bars“ habt Ihr bislang nur Sachen aus Euren eigenen Arbeiten auf akustisches Gewand reduziert, jetzt habt Ihr aber ein Cover-Album gemacht. Wie ist die Idee entstanden?

Jan: Die 80er Jahre waren tatsächlich für uns beide so der Peak, wo wir merkten, dass wir Musik machen wollen. Damals noch nicht zusammen, sondern jeder für sich. Ich habe 1982 meine erste professionelle Band gegründet, und bei Marco war das ähnlich. Wir haben uns auf unseren Touren auch viel über unsere Ursprünge unterhalten. Über unsere gemeinsame Musikgeschichte haben wir dann eine Playlist mit den 80er Liedern gemacht, und haben uns gedacht:  Wie wäre es, wenn man diese ganzen Nummern aus diesem Plastik raushebt in den Himmel unserer Sphären, und in unsere Musik, dass man da die Texte besser versteht. Dass man auch melancholisch reflektiert, und den eigenen Soundtrack zu den Bildern, die da auftauchen, beschreibt. So entstand die Idee. Heutzutage gibt es Rap, und wie Songs heute geschrieben werden ist so, dass es sehr wenig Refrains gibt, die mitgesungen werden. Genau da haben die 80er viel zu bieten!

Wann habt Ihr die Songs eingespielt?

Jan: Da war der Punkt, irgendwie diese Depression von Krieg und Corona zu überdauern. In der Musikbranche war tierisch viel los, alles war unsicher. Wir haben uns dann einfach gesagt, gehen wir aufs Minimalste, und haben bei Marco am Küchentisch diese Platte eingespielt, zu zweit im düstersten Januar. So haben wir uns durch Musik und die bunten Geschichten der Vergangenheit die Sonne ins Haus geholt.

Mit „Forever Young“ (Alphaville), „The Power Of Love“ (Frankie Goes To Hollywood) oder „Material Girl“ (Madonna) habt Ihr nicht unbedingt klassische Rock-Nummern auf dem Album. Wie habt Ihr die Songs ausgewählt? Ich hätte andere Interpreten erwartet.

Marco: Ein bisschen liegt die Herausforderungen auch darin, die Lieder -wie Jan schon sagte- ein bisschen aus dem Plastik rauszuholen, eine ganz andere Sound-Ästhetik zu entwickeln. Wenn man die dann runterbricht und probiert, die nur mit der Gitarre und zwei Stimmen zu spielen, dann so merkt man, dass da trotzdem viel Substanz ist. Wir hatten eine ganz lange Liste, und wir haben oben angefangen und nie gesagt: Das geht nicht! Es hätte auch ein Album mit 60 Songs werden können, weil die Lieder auch wirklich schön sind.

Jan: Wenn das jetzt gut läuft, und da jetzt eine Tür aufgeht -es gibt ja auch diese Punk-Cover-Geschichten- dann machen wir „Volume 2“.  Dann erweitern wir die Playlist einfach. Als nächstes wären A-Ha gekommen.

Lass mich raten: „Take On Me“?

Jan: Genau! Dann die Eurythmics mit „Sweet Dreams“ und immer so weiter. Es gab so viele Hits in den 80ern. Meine Wunschkandidaten waren „True Colors“ von Cyndi Lauper und The Cure.

An neue, eigene Sachen habt Ihr aber nicht gedacht?

Jan: Es ging nicht nur um Retro, sondern auch, dass man alte Musik verwertet…

Marco: Es gibt ja schon genug Lieder! Das ist ein bisschen wie beim Car-Sharing, warum muss denn jeder jetzt ein eigenes Lied schreiben, was das für CO2 verbrauchen würde! (beide lachen)

Ihr spielt jetzt die ersten Konzerte zur neuen Platte, bleibt es bei der gewohnten Song-Lotterie (Anmerkung: Jan lässt das Programm per Losverfahren im Publikum bestimmen)?

Jan: Ja, wobei das Album kommt ja erst am Freitag. Für dieses Jahr und diese kleine Reise ist es der erste Auftritt, die 80er schleichen sich so langsam rein. Das erste wirkliche Achtziger-Konzert wird voraussichtlich am 1. April 2023 in der Elbphilharmonie in Hamburg stattfinden, da sind wir nämlich eingeladen.

Gibt es Pläne für weitere Heilsarmee-Abende? Das zweite Rio-Reiser-Programm ist auch schon drei Jahre draußen, wenn auch kaum gespielt.

Marco: Eben, kaum gespielt! Im November 2019 zur Premiere gebracht, dann war Weihnachten, und dann kam Corona. Eigentlich haben wir damit wirklich noch nicht viel gespielt!

Jan: Was schätzt du, wie oft?

Marco: Höchsten zehnmal…wenn man bedenkt, dass wir Rio I über 250 gespielt haben, das hat uns echt rausgehauen. Das wollen wir jetzt natürlich erstmal spielen.

Damit sind wir bei den ganzen Programm, die Ihr, die insbesondere Du Jan hast (Rio I und II, Simon & Garfunkel, Rausch, Duo, Selig und Theater) – wie zur Hölle merkt man sich all die Texte?

Jan: Ich weiß nicht, keine Ahnung. Da wundern sich viele, aber vielleicht ist das meine Begabung? Bei den selbst geschriebenen ist es einfacher als bei denen, die man lernen muss. Wenn ich die anderen Texte lerne, dann muss ich die so lernen, dass ich denke, ich hätte die selbst geschrieben. So singe ich die dann auch. Das ist wahrscheinlich so eine Art Insel-Begabung.

1997 bist du nach Schweden abgehauen, und hast deine Selig-Kollegen arbeitslos (Zitat aus einem VIVA-Interview) hinterlassen. Hast Du Dir damals vorstellen können, jemals wieder auf einer Bühne zu stehen?

Jan: Nee, ich wollte Tischler werden! Ich wollte mit dem Musik-Business nichts mehr zu tun haben, weil da eine ganz große Last auf mir lag. Ich hatte Verantwortung für ein ganzes Unternehmen. Ich war selber aber noch so jung und kaum fertig. Die Stimmung innerhalb der Band war jetzt auch nicht die beste, und da bin ich halt verrückt geworden. Dann hat meine Frau mich zum Glück gerettet, und wir sind dann abgehauen. Da musste ich die Kollegen natürlich arbeitslos hinterlassen, sonst wäre ich in die Klapse gekommen – oder schlimmeres. Es ging einfach nicht mehr.

Na ja, auf jeden Fall hab´ ich während der ganzen Zeit Lieder geschrieben – am Ende macht man dann doch das, was man am besten kann. Es gab eine Cellistin in Stockholm, mit der habe ich zusammengearbeitet, und ich dachte: Wenn ich noch mal auf die Bühne gehe, dann möchte ich ganz ruhige Sachen machen, eigentlich so in dem Stil, wie jetzt mit Marco. Dieser Krach, diese Menschen, dieses Extrovertierte – das  hatte ich zu viel, und dann hat es mich doch wieder dahin getrieben! (lacht)

Jan Plewka

Du hast bei „Sing meinen Song“ mitgemacht – wie hast Du diese Art von Arbeit erlebt und konntest Du (trotz Corona) positive Effekte für Deine anderen Projekte, zum Beispiel durch höhere Ticket-Verkäufe, feststellen?

Jan: Nee, das war in Südafrika, und dort waren wir ziemlich abgeschirmt von sämtlichen Medien. Wir hatten eine echt gute Zeit, und waren die ganze Zeit am Arbeiten. Beim Rückflug saßen wir in Johannesburg im Wartbereich, und Max Giesinger bekam von seinem Management die Ansage, dass die Konzerte abgesagt werden, „wegen einer Pandemie“. Und Christian (Neander, Gitarrist Selig) und ich gucken uns an: Was ist denn jetzt los?  Ein paar Minuten später kriegten wir dann den Anruf, dass auch unsere Tour abgesagt ist. Es war alles geplant! Aufgrund dieser Massen, die man mit „Sing meinen Song“ erreicht, war alles darauf hin ausgerichtet. Und der ganze Masterplan ist zusammengebrochen, alles ist kaputt gegangen! „Sing meinen Song“ hat im Nachhinein also nichts gebracht, außer vielleicht ein paar Follower auf dem Insta-Account.

Du bist mit Selig, im Duo, mit der Heilsarmee und als Maler aktiv. Wo würdest Du sagen, ist Dein zeitlicher und Dein emotionaler Schwerpunkt?

Jan: Bei mir! (beide lachen) Bei mir und bei meinem Sohn! Alles, was ich auf der Bühne mache, sind immer Momente, die man da abfeiert. Das Schöne bei der Malerei ist, das kann ich überall und jederzeit machen kann. Das war so ein Punkt, den ich gesucht habe in meinem Leben, wo ich die ganze Zeit frei sein kann – wie beim Singen auf der Bühne, und das habe ich jetzt nach all den Jahren gefunden. Das ist meine Droge, die zur Freiheit führt; und mit meinem Sohn hänge ich auch echt wahnsinnig gerne rum. Die Kunst und das Kind!

Die Konzerte mit Selig in diesem Sommer -z.T. sechs Mal pandemiebedingt verschoben- waren in der Wahrnehmung vieler Fans rauschende Feste und extremer, als vor der langen Zwangspause. Wie habt Ihr die Shows erlebt?

Jan: Ja! Ich glaube, dass die Leute, die auf Konzerten gehen merken, was ihnen gefehlt hat. Jede Gitarren-Übergabe wird dann wie eine Messe gefeiert. Das ist alles noch intensiver, die Leute sind noch konzentrierter, und dadurch springt der Funke sofort über, und es ist einfach hysterisch. Das waren echt sehr schöne Konzerte!

Die aktuelle Myriade-Platte habt Ihr -abgesehen vom Titelsong- komplett außen vorgelassen. Warum?

Jan: Weil die Platte uns kein Glück gebracht hat! Dann haben wir gesagt: wir lassen´s. Wir spielen den Soundtrack von der Platte, und dann spielen wir uns durch all unsere Jahre.

Gibt es ansonsten neue Pläne und neue Musik in absehbarer Zeit, auch wenn es eigentlich schon genügend Lieder gibt?

Jan: Nee, eigentlich ist nicht Neues geplant. Selig wird nächstes Jahr 30, da gehen wir im Herbst, wenn alles gut geht, auf Tour. Dann bringen wir die alte Zeit nochmal zurück. Ich glaube nach Corona, und damit nach so einem Schock, braucht man eine Zeit, wo das Trauma sich beruhigt, eine Art Therapie. Wenn man die Leute jetzt mit neuen Liedern füttert, ist das ist zu viel. Lieber erstmal ruhen lassen, und die Kraft aus der Vergangenheit nehmen.

Ein passendes Schlusswort für das gleich anstehende Konzert! Lieber Marco, lieber Jan, vielen Dank für das Gespräch! Viel Erfolg beim Release und Euch „toi, toi, toi“ für den Auftritt gleich!

Beide: Wir danken, bis gleich und viel Spaß bei der Show!

 

Eine Nachlesese zum Konzert findet sich übrigens hier!

 

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Fotocredit: Sven Sindt(1,3,5 plus CD Cover) Wollo@Whiskey-Soda (2,4)

 

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