In Rom
„Was macht der Alsmann bei Whiskey-Soda?“ wird sich so mancher jetzt fragen. Ist das nicht Jazz? Oder, noch schlimmer, Schlager? Noch dazu kann der Rezensent tendenziell weder mit Jazz noch mit Schlager irgendwas anfangen. Und umgekehrt ist Götz Alsmann nicht unbedingt ein großer Supporter von Rock, Punk und Metal, so wie das bei Whiskey-Soda im Vordergrund steht. Im Gegenteil, [i]“dieser Alsmann“[/i] hat sich in seiner, wie jeder weiß, „außerordentlich überheblich-abgehobenen Art“ (Zitat) ja schon öfter höchst hämisch über die von uns so geliebte Musik geäußert. Obwohl, EXTREM alte Menschen werden sich erinnern, sein erster Achtungserfolg Mitte der Achtziger ein Swing-Cover von ‚People Are People‘ (Depeche Mode) war, was zumindest nahelegt, daß zu einer bestimmten Zeit auch der lebende Anachronismus Alsmann damals aktuelle Musik goutiert und etwas Positives darin gefunden hat. Das reicht aber noch nicht als Erklärung, warum dieser SaschaG-Affe über ein neues Album von Götz Alsmann schreibt?
Nun, nicht etwa, weil ich mir anmaße, etwas von Jazz zu verstehen. Oder von der Swing-beeinflussten Schlager-Definition der Fünfziger Jahre, die Götz Alsmann klar beeinflusst hat. Ich kann noch nicht mal mit den Croonern wie Frank Sinatra, Dean Martin und Bing Crosby was anfangen! Gib mir Gitarren, idealerweise ’ne Les Paul über nen 800er Marshall, knackige Drums, nen schwitzenden Sänger am Rand zum Gegröhle, ’ne röhrende Hammond, vielleicht noch ein furzendes Saxofon, und ich bin glücklich! Ich würde mir doch nie ein Götz Alsmann-Album freiwillig anhören. Da ich aber das Album von einem besonders netten Kollegen bekommen habe und „diesen Alsmann“ völlig unsachlicherweise einfach als Typen mag, hab‘ ich’s trotzdem getan. Denn, ob man’s mag oder nicht, Götz Alsmann zählt eindeutig zu den Guten. Ein Typ, der seit 40 Jahren macht, was er will, gänzlich, ohne sich zum Affen zu machen oder irgendjemandem anzubiedern – und damit auch noch Geld verdient. Und über sein musikalisches Talent braucht man auch keine Silbe zu verlieren. Alsmann fühlte sich im Laufe von zwanzig Jahren „Zimmer frei!“ in der musikalischen Gegenwart von den Die Ärzte oder Campino genauso wohl wie in der von Bill Ramsey, Smudo und, schluck, Helene Fischer. Und entlockte seinen Gästen oftmals neue und unerwartete musikalische Facetten. Das, nur nebenbei bemerkt, alleine schon in seiner Eigenschaft als Fernseh-Moderator.
Wenn Alsmann also mehr Niveau und mehr Mut in der Musik fordert, ist das nicht Überheblichkeit, sondern echte Sorge. Sorge darum, daß alles in der Gleichschaltungsmaschine zum Teufel geht, Musik zur Plastikware verkommt. Und bevor nun die Metal- und Rockgemeinde applaudiert: das gilt für die zigtausendste Retro-Prog-Kapelle ebenso wie die Milliarden von Truemetallern und die noch größere Schar an Hipster-Pseudo-Countrymuckern. Ist ja aber egal, denn wenn man mit de neuen Bands nicht kann, kauft man eben das zwanzigste Album dieser einen Band, die zwar schon seit 1988 kein echtes Meisterwerk abgeliefert hat, aber „verläßlich“ ist. Oder wir feiern die neue Band, die eine täuschend echte Kopie dessen abliefert, wie die zuvor Erwähnten vor 1988 geklungen haben. Oder kaufen die 28-CD-Box-mit-BluRay-in-DolbyAtmos-mit-Schal-und-DNA-Probe-zum-Selberklonen-Wiederveröffentlichung unseres Lieblingsalbums aus den Siebzigern. Hauptsache, wir verlassen nicht die musikalische Komfortzone.
Wie erwähnt, ich will gar nicht versuchen, etwas Pseudoinformiertes über das Album zu schreiben, denn ich habe ehrlich keine Ahnung, ob das nach Jazzstandards „gut“ oder „schlecht“ ist. Aber, mal so richtig vollkommen subjektiv: ich habe mit „Götz Alsmann in Rom“ für eine gute Stunde trotzdem meinen Spaß. Denn natürlich ist das hier ein Album voller Spielfreude, Humor wie Pathos und generellem Gute-Laune-Flair, von exzellenten Musikern fast schon unverschämt clever arrangiert und organisch-plastisch produziert. Noch wichtiger aber, ich habe mich musikalisch aus meiner Komfortzone bewegt und mir Musik angehört, die VÖLLIG ANDERS ist als alles, was mir normalerweise so gefällt. Sollten wir vielleicht alle öfter mal machen – sonst rostet am Ende das olle Ohr ein. Und das wäre mit Sicherheit nicht im Sinne des Herrn Alsmann.
Bleibt schließlich nur eine Frage: Hört Götz Alsmann eigentlich zum „Entrosten“ zwischen seinen Jazz-Alben lieber Cattle Decapitation oder TayTay?