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In Contact

Die Australier Caligula’s Horse sind eigentlich schon lange kein Geheimtipp mehr, eher zusammen mit Haken und Leprous die Speerspitze der neuen Prog-Rock-Alternative-Metal-Whatever-Bewegung. Im Vergleich zu den Kollegen gehen Caligula’s Horse freilich ein gutes Stück melancholischer und melodieverliebter zur Sache, mathematisch-technische Zurschaustellung liegt ihnen grundsätzlich nicht besonders. Auch harsche Screams oder Krümelmonster-Vocals bleiben hier komplett außen vor – dafür schwebt Goldkehlchen Jim Grey einmal mehr in höchst seelenvollen Sphären, nahe bei Morten Harket und Matt Bellamy. Generell könnte man einfach sagen, Caligula’s Horse klingen einfach ein wenig zeitloser als die oben Erwähnten.

Diese Zeitlosigkeit erhält nun auf dem vierten Album „In Contact“ aber einen kleinen Dämpfer. Denn wo die letzten Alben auch soundtechnisch eher warm und, nun ja, blumig klangen, hat ihnen nun Jens Bogren einen für ihn typischen sterilen und auch reichlich dynamiklosen Sound hingezimmert. Und der macht es offen gesagt, weit schwerer, bei „In Contact“ einzusteigen. Das Album liebäugelt über weite Strecken mit recht konventionellen Prog-Metal-Riffs und vor allem dem typischen Metal-Drumming, wo die Metal-Elemente vorher eher als Farbtupfer eingesetzt wurden. Im Vergleich zu den Vorgängern fehlen noch dazu die schönen, eingängigen Momente wie in ‚Firelight‘, ‚Water’s Edge‘ oder ‚Rust‘, ja, selbst die akustisch orientierten Songs wie ‚Love Conquers All‘ und ‚Capulet‘ vermitteln statt der bunten Schönheit der Vorgänger eher Visionen von kalten, weiße Wänden direkt aus einem Kubrick-Film. Die prätenziöse Spoken Word-Nummer ‚Inertia And The Weapon Of The Wall‘ lädt gar zum ersten Mal auf einem Caligula’s Horse-Album zum Skippen ein.

Nimmt man sich die Zeit, hinter die glatte Fassade zu schauen, entfalten natürlich auch Sachen wie der kraftvolle Opener ‚Dream Of The Dead‘ oder das fünfzehminütige ‚Graves‘ ihren Reiz. Denn natürlich haben Caligula’s Horse nicht auf einmal verlernt, wie man Songs schreibt, und von einem Stilwechsel kann auch keine Rede sein, Caligula’s Horse bleiben auch 2017 absolut wiedererkennbar. Doch irgendwie kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß sich die Band auf „In Contact“ ein wenig zu sehr nach „standardmäßigem“ Prog-Metal anhört und dafür viel von dem, was sie bislang ausgezeichnet hatte, vernachlässigt. Wo früher die harten Riffs auf zartschmelzende Harmonien und einschmeichelnde, sanfte Akustikelemente trafen, geht’s hier eben über die volle Stunde auf gleichem Level zur Sache. Den Prog-Metal-Verfechtern wird das aufgrund der (leicht) erhöhten Heaviness eventuell sogar sehr gefallen, der Schreiber dieser Zeilen hingegen vermisst die stimmungsvollen, eingängigen Melodielinien, die organischen Strukturen, die unkonventionellen Fusion-Harmonien und den Queen-/Styx-artigen Bombast, der die Band bislang auszeichnete.

Caligula’s Horse haben mit „In Contact“ natürlich ein nach Genre-Maßstäben ziemlich gutes Album veröffentlicht, daß aber im Vergleich zu ihren ersten drei Alben ein wenig, nun ja, gewöhnlich klingt. Und das ist das Problem, wenn man zur Speerspitze eines Genres zählt: man mss sich nicht an der Konkurrenz messen lassen, sondern an den eigenen Meisterleistungen. Und unter den bisherigen Alben der Band ist „In Contact“ klar das bislang Schwächste.

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