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Holy Ghost

Modern Baseball aus Maryland/Pennsylvania blicken weder auf eine jahrzehntelange Musikerkarriere noch auf Verträge mit Prestige-Labeln zurück. Selbst in reinen Lebensjahren, sind die vier Jungs gerade einmal flügge geworden und doch gehören sie zu einer der angesagtesten Indie-Bands der jüngeren Vergangenheit. Bis in die New York Times haben sie es geschafft. Ihr neuestes Album ‚Holy Ghost‘ – das erste, das nicht in D.I.Y.-Manier aufgenommen wurde – erschien vor Kurzem auf dem Bostoner Label Run For Cover und entwickelte sich dort innerhalb weniger Tage zum Zugpferd. Was Modern Baseball so besonders macht, sind die sehr authentischen und von Herzen kommenden Texte der beiden Sänger Brendan Lukens und Jake Ewald, von denen ersterer bereits eine Therapie aufgrund von bipolarer Persönlichkeitsstörung, Depression und Alkoholmissbrauch hinter sich hat – und das noch vor Vollendung seines zwanzigsten Lebensjahres! Wenn uns die Geschichte der Kunst eines lehrt, dann ist es, dass Menschen mit schweren persönlichen Problemen – von Charles Bukowski bis hin zu Kurt Cobain – die besten Lyriker sind.

Die ersten sechs Songs auf ‚Holy Ghost‘ wurden von Jake Ewald geschrieben, die letzten fünf von Brendan Lukens. Was auf den ersten Blick einen scharfen Kontrast vermuten lässt, funktioniert in der Praxis erstaunlich gut und deckt durch die unterschiedlichen Charaktere eine breite emotionale Bandbreite ab. So reflektieren Lukens Texte seinen Kampf mit sich selbst und eine unbeantwortete Liebe, während Ewald vor allem die Höhen und Tiefen des alltäglichen Lebens thematisiert. Dieser Kontrast lässt sich schön in ‚Coding This For Lukens‘ nachvollziehen, in dem die erste Strophe von Ewald und die Zweite von Lukens stammt. Beide Sänger harmonieren dabei erstaunlich gut zusammen und die Texte wirken trotz der unterschiedlichen Einflüsse keineswegs holprig. Trotz der zuweilen unterschiedlichen Gemütszustände bleibt der musikalische Stil durchweg konstant bei einer Mischung aus Pop-Punk und Emo. Wer nach etwas vergleichbarem sucht, wird bei Tigers Jaw oder den späten Title Fight fündig, wobei selbst diese noch ‚punkiger‘ rüberkommen als Modern Baseball. Wem Songs wie ‚Wedding Singer‘ und ‚Mass‘ zu lahm sind, schaut sich besser nach einer anderen Band um, denn flotter wird’s nicht.

Wer hingegen vor allem Wert auf prosaische und persönliche Texte legt, dem wird ‚Holy Ghost‘ sehr zusagen, denn sowohl Lukens als auch Ewald verstehen es, ihre Emotionen und Erfahrungen in kleine Geschichten zu verpacken. Beispiele gefällig? ‚I can’t help thinking about you this whole ride home from Alberta, Portland to wherever I’ll soon unfold into oblivion or somewhere between here and fact‘ (‚Breathing In Stereo‘) oder ‚Looking for some inspired land but all I found were empty cans and cigarette butts lining dirty parking lots in Ottawa‘ (‚Note To Self‘). Ein Road-Trip der Gefühle zweier junger Menschen, die sich auf der High School kennenlernten, weil sie den gleichen Musikgeschmack hatten. Allerdings muss man Ewald fairer Weise die bessere Gesangsstimme zugestehen. Lukens entgleist diese des Öfteren. Puristen würden es vielleicht authentisch nennen. Überdies hat man manches Mal beim hören das Gefühl, dass die instrumentale Untermalung mehr an den Inhalt angepasst werden könnte, doch hier bleiben Modern Baseball bei Bewährtem. Nichtsdestoweniger ist ‚Holy Ghost‘ eine Scheibe die Beachtung verdient.

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