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Gumption

So erwachsen, so professionell, so ernst erscheint das Debüt von Taryn Miller alias Your Friend. Dabei ist die US-Amerikanerin aus Kansas gerade einmal 24 Jahre alt. 2014 veröffentlichte sie ihre erste, selbst eingespielte EP Jekyll/Hyde, tourte als Vorband mit der ebenfalls noch sehr jungen australischen Singer-Songwriterin Courtney Barnett und kehrte Mitte des Jahres auf den Bauernhof ihrer Familie zurück. Was hat das mit dem Album zu tun? Nun, hier ließ sie sich von ihrer nostalgischen Kindheitserinnerungen inspirieren. Sie hatte sich eine Aufnahmegerät besorgt und versuchte sich am ‚Field recording‘, also der Aufnahme von Natur- und Umgebungsgeräuschen außerhalb des Tonstudios. Sehr außergewöhnlich. Aber genauso klingt ‚Gumption‘.

Und tatsächlich: Achtet man genau auf die vielschichtigen Klangstrukturen, so erahnt man zwischen dem verträumten, zum Teil melancholischen und trotzdem energischen Synthie-Pop bereits beim Opener (‚Heathering‘) leise Traktorengeräusche. ‚Come Back From It‘ ist dagegen von leicht bedrohlich anmutenden Beats im Hintergrund geprägt, die sich anhören, als wenn jemand gegen eine große Metallwanne schlagen würde. Natürlich alles schön nachträglich im Studio abgemischt. In ‚To Live With‘ plätschert ein Bächlein vor sich hin und auch bei den anderen Songs kann man sich durchaus im Wind wogende Kornfelder vorstellen.

Es braucht eine gehörige Portion Mut dazu, sich solch ein Klangexperiment bei der ersten Platte zu trauen und nicht in die gleiche Mainsteam-Kerbe hineinzuhauen, wie die meisten Konkurrentinnen in ihrem Alter und im selben Genre. Vielleicht spielt darauf sogar der Titel an (gumption, engl. Mumm, Schneid). Jedenfalls besticht gerade die instrumentale wie melodiöse Vielseitigkeit, die eng gewobene Songstruktur von Millers Musik, die sich mal düster, mal lebendig, mal bewegend, mal dynamisch ausnimmt – eben ein Abbild der Natur. Mit jedem weiteren Hören entdeckt man weitere versteckte Elemente und kommt auch langsam hinter die tiefgründigen Texte von der Verantwortlichkeit des Individuums für seine natürliche Umgebung und die Gesellschaft.

Wer nach Ohrwürmern sucht, wird von ‚Gumption‘ enttäuscht. Die Platte ist bestimmt nicht jedermanns Geschmack, aber könnte dennoch für viele ein ‚guter Freund‘ für verschlafene und nachdenkliche Tage werden.

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