Friendship

Rikard Sjöblom, der Knuddelbär des Prog, hat in den fünfzehn Jahren seit Veröffentlichung des Beardfish-Debüts einen ganz erstaunlichen Output vorgelegt. Acht Scheiben mit besagten Beardfish, zwei Soloplatten, fünf Alben mit Big Big Train und nun steht auch noch das vierte Gungfly-Album in den Regalen. Gerade aufgrund der Fülle an Material ist umso bewundernswerter, das Rikards Musik ihren lockeren, spielerisch anmutenden Charakter nicht verloren hat. Mit „Friendship“ legt er einmal mehr ein zeitlos klingendes Album vor, das wohl seine Wurzeln im Prog der Siebziger (und nicht selten den späten Sechzigern) hat, aber völlig ohne ein Staubkörnchen daherkommt.

Wenn ein Album „Friendship“ heißt, erwartet man natürlich auch keine Songs über Serienmörder und musikalische Depression. Und so klingt Gungflys Neue erfreulich warm und sommerlich, mal gutgelaunt und energiegeladen, dann wieder leicht melancholisch und nostalgisch angehaucht. Wenn Sjöblom im Finale des fast vierzehnminütigen Titelsongs mehrfach ganz ohne künstliche Manierismen wiederholt, dass er ganz einfach seinen alten Freund vermisst, möchte man ihm glatt mindestens ein Sympathiebier oder gar – voll männlich und superproggig natürlich – einen traditionellen Buddy-Hug spendieren. „Friendship“ klingt nämlich, ganz ungewohnt im Prog, sehr persönlich, sehr intim und letztendlich dadurch auch so emotional. Obwohl der Instrumentalteil der Musik gefühlt höher ist als auf „On Her Journey To The Sun“ und Sjöblom einmal mehr von Canterbury-artigen Jazzrock-Abfahrten über Singer-Songwriter-Momente bis hin zu Hardrock-Riffs alles Mögliche auffährt, wirkt hier nichts gestellt oder prätentiös. Das rockende ‚Stone Cold‘ klingt beispielsweise, als hätten Toto gemeinsam mit Gentle Giant einen vergessenen Song aus Phil Collins‘ „No Jacket Required“-Phase aufgenommen. ‚They Fade‘ ist feinste Americana mit, ähem, skandinavischem Flair, und ‚Crown Of Leaves‘ zollt einmal mehr Elton John in seiner originellen Frühphase (grob 1969-1972) Tribut. Und der Opener ‚Ghosts Of Vanity‘ schmeißt alles, was man mit Rikard so verbindet, durcheinander und wurde wohl auch deshalb zurecht zur Vorabsingle auserkoren. Der typische Sjöblom-Humor, der – seltener als früher, aber immer noch erkennbar – durchschimmert, trägt sein Übriges zur Kurzweiligkeit des Albums bei. Dazu gibt’s noch mit ‚If You Fall Part 2‘ die willkommene Fortsetzung des Albumhighlights des Vorgängers, die wohl einige der musikalischen Themen von ‚Part 1‘ aufgreift, aber weit mehr als eine Neueinspielung darstellt – sondern eben ganz buchstäblich den zweiten Teil der Komposition.

Da auch die Produktion des Albums erwartungsgemäß exzellent ausgefallen ist, gibt es also keine Grund für Progfans, sich „Friendship“ nicht ins Regal zu stellen. Es wäre nämlich außerordentlich schade, wenn Gungfly das gleiche Schicksal als „ewiger Geheimtipp“ ereilen würde, das letztendlich schon Beardfish getroffen hat. Für „Friendship“ ist auf jeden Fall (und offen gesagt, erwartungsgemäß) einer der vorderen Plätze in meiner Jahres-Top-Ten reserviert. Rikard Sjöblom ist einer der ganz Großen der heutigen Progszene und es wird Zeit, dass sich das auch endlich in Verkaufszahlen niederschlägt!

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