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Exile

Nicht viele Bands schaffen es heutzutage, beim massiven Angebot an neuer Musik, ihr Publikum zu überraschen. Karlahan aus Barcelona ist es mit ihrem großartigen Debüt-Album gelungen. Denn die sechs Katalanen versuchen mit „Exile“ drei Dinge zusammenzuführen, die in dieser Kombination selten sein dürften: Progressive-, Death- und Symphonic-Metal. Bei den von der internationalen Musikpresse mit großem Wohlwollen aufgenommenen EP’s „Skyline“ und „A Portrait of Life“ standen auch noch Folk-Anteile mit auf dem Rezept. Von Folk haben sich Karlahan in Richtung mehr progressiver Elemente beinahe gänzlich verabschiedet. Das über eine Crowdfunding-Kampagne produzierte Debüt-Album hat nun das schwäbische Label 7Hard unter seine Fittiche genommen. Denn Karlahan haben mit „Exile“ ein wirklich schickes Album vorzuweisen, das die Betreuung durch ein professionelles Label uneingeschränkt verdient. Was erwartet den Hörer denn nun mit Karlahan konkret? Drei E-Gitarren, gepaart mit einer Harfe und Keyboard. Kein Widerspruch für Karlahan. Harte Riffs und Blastbeats, Growls kombiniert mit dem Chor „El Cor De La Vall“. Karlahan schrecken davor nicht zurück. Alles scheint bei den Jungs erlaubt, Hauptsache es lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Was, wenn nicht DAS ist der revolutionäre Kerngedanke progressiver Rockmusik? Das Tolle an der innovativen Mischung der Spanier ist, daß die sehr vielfältigen, einzelnen Elemente ineinandergreifen und -fließen und so tatsächlich ein neues Hörerlebnis schaffen. Hier gebührt auch Produzent Dan Swanö Lob, der die Kompositionen mit seinem Schliff und Mix zu dem gemacht hat, das sie darstellen sollen.

Bombastisch ist der Auftakt mit ‚The Lighthouse Keeper‘: Streicher und Chor wetteifern mit Blastbeats und Growls und hinterlassen einen überraschend frischen ersten Eindruck. Der währt nicht lange, weil Karlahan vor Ideen sprudeln und munter mit den Erwartungen des Hörers spielen. Auch wenn Chor und Metalband den Kern des ersten Stücks bilden, fließt ein wundervoll-melodisches E-Gitarren-Solo mit ein. Auch ‚Architecture of Life‘ hat sie, die Spiele mit hart und sanft, mit laut und leise, harmonischen und dissonanten Elementen. Stakkato-Rhythmus und -Gesang inspiriert von System of a Down im Duett mit harmonischem Klargesang und Growls. Ein kleiner Mellotron-Ausflug geht in ein Zwischenspiel mit der Akustikgitarre über, wechselt dann zum E-Gitarrenriff und wird schließlich von Growls vollendet. Wunderbar, wie Karlahan mit Dynamiken spielen, sie hin- und hertanzen lassen!

‚Involution‘ beginnt mit Symphonic-Metal-Größe, stellt dann aber wie selbstverständlich den rockigen Beats einen funkigen Gitarrenausflug zur Seite und ‚By Smoke Diffused‘ vermählt Satzgesang mit Blastbeats und einem Keyboard-Klangteppich im Hintergrund. Ein melodiöses Hammer-Riff geht in ein Keyboard-Solo über und während Bass, Drums und Sänger noch düster im Keller herumrumpeln macht sich schon wieder der Chor bereit. Was für ein spektakulärer Mix! Auf der zweiten Hälfte des Albums wird es dann nochmals deutlich progressiver. ‚Enhancement Through Change‘ verknüpft Thrash-Metal und Melodic-Metal-Ideen mit typisch „proggigen“ Taktwechseln. Ihr findet die englischen Durchstarter Haken klasse, aber sie könnten eurer Meinung nach bei der Härte noch ein paar Schippchen Kohle mehr ins Feuer legen? Dann sind Karlahan zumindest bei diesem Song die Band, auf die ihr gewartet habt! ‚Inside The Cave‘ ist in den Gründzügen noch ein wenig von den früher stärker vorhandenen Folk-Elementen geprägt, ist im Gesamtbild jedoch ein herrlich wirres Konglomerat aus Prog- und Death-Metal, was in ganz ähnlicher Weise für ‚Bird’s Exile‘ gilt. Das abschließende ‚In A Sea Of Mist‘ ist eine klare Verbeugung vor den neueren Werken von Opeth, vor allem der klare Gesang und der leicht psychedelische Touch erinnert an das neueste Album der Schweden.

Wer es noch nicht aus den Zeilen selbst herausgelesen hat: „Exile“ ist ein Hammer-Debüt-Album geworden und die Jungs von Karlahan haben genug Frische, Talent und Ambition, um im härteren Progressive-Metal-Bereich eines der nächsten ganz großen Dinger zu werden. Das Songwriting, das verschiedene Strömungen im Metal auf innovative Art und Weise miteinander verknüpft, ist faszinierend vielseitig, überquellend vor Ideenreichtum und dennoch geradlinig mit dem gewissen Biss. Das hier klingt endlich einmal anders als das, was man sich üblicherweise unter Progressive-Metal vorstellt. Ganz großes Kino. Bravo, amigos!

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