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Something Else

Ich gestehe es: eigentlich war ich nie ein großer Fan der Cranberries. Die Idee, ein mit Kammerorchester eingespieltes Album mit Akustikversionen der größten Hits der Band zu rezensieren, hat demnach nur wenig Begeisterung ausgelöst. Aber, wie das im Leben so ist, manchmal muss man seine eigene Vorurteile einfach mal runterschlucken und zugeben, daß auch ein Cranberries-Album echt gut geworden ist.

Das Geheimnis dürfte in der Akustik-Umsetzung der Songs liegen. Denn der gerne mal etwas aufgesetzte Rock-Diktus der Band fällt hier natürlich komplett weg. Stattdessen entblößen Songs wie ‚Linger‘, ‚Ode To My Family‘ und ‚Dreams‘ ihre Folkwurzeln und klingen dank der cleveren, an The Divine Comedy erinnernden Streicherarrangements erstaunlich zeitlos und eher nach „Father Ted“ und Craggy Island (googeln!) als nach Mittneunziger-Alternative Rock. Am Meisten allerdings profitiert der Gesang von Dolores O’Roirdan von der Entschlackung. Die Dame hält sich nämlich mit dem Pathos erstaunlich stark zurück und bevorzugt durchweg eine deutlich weniger exaltierte, ja, fast lakonische Vortragsweise, die bisweilen sogar an die großartige Kirsty MacColl erinnert. Da klingt dann selbst das totgehörte ‚Zombie‘ plötzlich wieder frisch und verleitet keinesfalls zum Skippen. Das ist denn auch der einzige der rockigeren Songs der Band, die hier verwurstet wurden, ‚Promises‘ oder ‚Salvation‘ sucht man hier vergeblich. Einerseits wäre es bestimmt interessant gewesen, wie sich diese Stücke im Akustikgewand geschlagen hätten, andererseits ist so ein Song dabei, dem das neue Gewand nicht steht. Auch drei neue Songs gibt es, von denen allerdings nur zwei überzeugen können. ‚The Glory‘ und ‚Why?‘ sind typische Cranberries-Ohrwürmer, das düstere ‚Rupture‘ hingegen klingt doch eher nach einer wenig zwingenden The Cure-B-Seite und fällt gegen den Rest deutlich ab. Der stammt übrigens ausschließlich von den ersten vier Scheiben der Band, und fürs Cover-Artwork hat man sich auch stilecht wieder auf einer abgewetzten, mutmaßlich leicht stinkigen Couch niedergelassen – und, nur für den Fall, daß noch Fragen offenstehen, auch das Logo der ersten beiden Alben wiederverwendet.

Fans werden das Album eh kaufen, aber das Besondere an „Something Else“ ist eben, daß auch diejenigen, die bislang nichts mit der Band anfangen konnten, hier durchaus positiv überrascht werden dürften. Wo Akustikalben manchmal nicht mehr als Vertragserfüllungen oder Frührentenaufstockung darstellen, haben The Cranberries hier tatsächlich möglicherweise eine Tür in eine neue musikalische Ausrichtung aufgestoßen, die der Band außerordentlich gut zu Gesicht steht.

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