In This Moment We Are Free
Ach, Anneke. Wir haben Dich ja alle lieb, und natürlich hören wir Deine Stimme immer gerne. Aber warum machst Du es uns immer so schwer?
Wenn man sich generell im weiten Feld der Pop- und Rockmusik bewegt, ist eine der wichtigsten Aufgaben, daß man selbst bei anstrengendstem Material irgendwo ein paar packende Melodien fabriziert. Ansonsten ist das nämlich entweder a. Kunst, b. ein wenig langweilig oder c. für gewöhnlich beides. Anneke van Giersbergen sollte das eigentlich wissen, schließlich hat sie diese großen Melodien bei The Gathering, bei Ayreon und auch bei Devin Townsend regelmäßig mit ihrer großartigen Stimme veredelt. Nur auf ihren Soloscheiben mag sich die Begeisterung bislang nicht so sehr regen – und leider macht ihr neues Projekt Vuur da keine Ausnahme.
Die Begeisterung war ja groß, als Anneke ankündigte, mit Vuur wieder mal was „in Heavy“ zu machen. Und Ed Warby und Joest Van Der Boek sind natürlich auch gute Musiker, daran kann kein Zweifel bestehen. Die erste Single ‚Days Go By‘ zog die Butter allerdings nicht unbedingt vom Brot und dämpfte die Erwartungen bereits erheblich. Aber, hier kommt der Twist: besagter Song ist definitiv das Highlight eines ehrlich gesagt ziemlich öden Albums geworden. Vuur wärmen über weite Strecken nur die üblichen Progmetal-Klischees auf, bieten keinerlei mitreißende Melodien – und mit Ausnahme der natürlich unverkennbaren Stimme muss „In This Moment We Are Free“ vollkommen ohne irgendein wie auch immer geartetes Alleinstellungsmerkmal auskommen. Die Riffs hat man tausendfach gehört, das Tempo bleibt fast über die kompletten 65 Minuten gleich, die Soli sind sowohl feeling- als auch melodiefrei, und die Rhythmusgruppe groovt weniger als Omas Nähmaschine. Wenn auch beim vierten Hördurchgang nicht ein einziger Moment im Ohr hängenbleibt, dann spricht das nicht gerade für die Qualität des Songwritings. Selbst die abgefahrensten Frank Zappa-, King Crimson– und Shining-Sachen – und auf deren Eigenartigkeitslevel bewegen wir uns hier definitiv nicht! – verfügen über diese Melodielinien, die den Hörer unweigerlich in den Sog der Komposition ziehen. Vuur ziehen garniemanden garnirgendwo hin – alles bleibt an der Oberfläche, ohne auch nur einmal ernsthaft daran zu kratzen. Und, noch böser gesagt: es ist fast unmöglich, die Songs voneinander zu unterscheiden, da hier wirklich über die komplette Albumdistanz lang im selben Tempo auf dem selben Dynamiklevel der selbe „Groove“ gespielt wird und nichts, aber auch gar nichts Interessantes passiert. Es tut mir als bekennender Fan von Anneke wirklich ein wenig weh, diese Album so hart angehen zu müssen, aber mit solch belanglosen 08/15-Alben verkauft sie sich einfach weit unter ihrem Niveau.
Vielleicht ist das ja aber auch die Nachricht, die uns dieses Konzeptalbum schicken will. Ob ein Song nun von Beirut, Helsinki, Istanbul oder Berlin inspiriert ist, eigentlich sind wir als Menschen ja doch alle gleich, und deshalb müssen auch die Songs alle gleich klingen. In diesem Fall nehme ich natürlich alles zurück. Ich hatte ja schon erwähnt, Kunst ist nicht meine Welt, ich bin mehr so billige Pop-Nutte.