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Es geht sich aus

So ist das mit der Karies. Erst taucht sie einfach so auf, macht Einen ganz kirre und frisst sich dann tief und schwarz ins Zahninnere hinein. Soll heißen: Die Aufruhr, die die Band mit dem fiesen Namen auf ihrem Debütalbum verbreitet hat, weicht mit dem Nachfolgealbum ‚Es geht sich aus‘ einem düsteren, tiefgründigeren, fast schwerfälligem Sound.

Der lässt uns tiefer eindringen in das Karies-Universum, verweigert sich aber eben auch möglichen, nein: mit Sicherheit bestehenden Erwartungshaltungen. Denn das Debüt ‚Seid umschlungen, Millionen‘ war zu besonders, um bei der Ankündigung eines zweiten Albums nicht in frohe Nervosität zu verfallen. Aber die Stuttgarter machen ihr eigenes Ding, das wird sofort mit dem gedämpften Opener ‚Es Ist Ein Fest‘ klar. Zu elegischen Gitarrenklänge singt Benjamin Schröter davon, glücklich getrennt zu sein. Offensichtlich ist Einiges passiert im Bandleben der letzten zwei Jahre, von dem wir nur wissen, dass sich Schlagzeuger und Initiator Kevin Kuhn aus selbigem verabschiedet hat.

‚Festgestellt, dass es nicht so ist wie vorgestellt‘

– diese Zeile aus dem Titeltrack mag ein Hinweis darauf sein. Oder eben auch nicht. Auch der Albumtitel gibt sich im Vergleich zum Vorgänger verhaltener und durchaus ernüchtert. Vielleicht haben sich Karies mit ihrem Debüt verausgabt, vielleicht Angst vor der eigenen Courage bekommen. Vielleicht sind sie als Kollektiv jetzt auch einfach nur der Pubertät entwachsen. Jedenfalls versuchen sie der aktuellen Lage mit Ironie beizukommen:

‚Alles ist wahr, alles ist vernünftig.‘

(‚Jugend‘)

Das Minimum an Text wird auf ‚Es geht sich aus‘ begleitet von viel Bass, Übersteuerung, Raum und Distanz. Repitative Riffs und mantraartiges Gemurmel (‚Ostalb‘) schaffen eine introvertierte, dunkle Atmosphäre. Kein Soundtrack zum Ausrasten mehr, eher zum Verzweifeln. Es scheppert kaum noch und der Hörer hat es nicht leicht, sich zwischen den Tracks zu orientieren. Die wenigen, mitunter verkopften Zeilen (

‚Alles muss sich ändern, um zu bleiben, wie es ist.‘

/ ‚Jugend‘) richten sich an ein wesentlich dezimierteres, homogeneres Publikum als noch das Debütalbum. Wer sich nicht auf Anhieb dazugehörig fühlt, mag sich festhalten am Versprechen von ‚Einheiten‘:

‚Ich will, dass du verstehst, warum wir uns nicht verstehen.‘

Einen Hoffnungsschimmer gibt es. Darauf nämlich, dass Karies dem ‚Unbehagen‘, von dem sie singen, nicht erliegen und in der Schmollecke nicht steckenbleiben, in die sie sich für ihr neues Album zurückgezogen haben. Es brodelt weiter in ihnen, und das treibt sie womöglich bald wieder auf die Straße:

‚Alleine kann man schlecht pervers sein. Ich muss mal wieder unter Leute gehen.‘

(‚Pervers‘)

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