| |

Ein gutes Jahr für Misanthropen und den dazu passenden Soundtrack – Jürgens 2021

Ein weiteres Jahr ist vergangen, und manchmal fühlt es sich so an, als wäre es Jahr 2 einer neuen Zeitrechnung. Wer Musik liebt, dem fehlen natürlich die Liveauftritte. Wer seine Familie liebt, wägt ab, ob man sich trotz der selbstverständlich erfolgten Impfung dem Risiko aussetzt, mit einem Haufen anderer Menschen in einer engen Location eingesperrt zu sein, und möglicherweise etwas nach Hause schleppt, was den noch ungeimpften Kindern schadet. Das, was vielen Musikfreaks alles bedeutet – Livemusik, stickige Clubs, schwitzende Menschen – hat sich als unwägbares Risiko entpuppt. Hin- und her gerissen zwischen dem Wunsch nach ausgehen und feiern einerseits und dem Vernunftgebot auf der anderen Seite wird es schwierig.

Insbesondere als Freund guter, selbst dargebotener Musik zwischen Metal und Gothic, Folk und Progressive, Psychedelic und Darkwave sind Liveauftritte das Salz in der Suppe. Wenn dann auch noch im privaten Bereich alles drunter und drüber geht, bleibt einem nicht viel mehr übrig, als den Misanthropen in sich endgültig nach außen zu kehren und so viel wie möglich soziales Leben einzuschränken.

Das hat der Verfasser dieser Zeilen gemacht – zu Teilen einfach, den Misanthropen herauskehren üben war nicht nötig, da ohnehin omnipräsent – aber die noch einmal verminderte Möglichkeit, sich mit dem zu beschäftigen, was man liebt hat doch ziemlich am Nervenkostüm gezerrt, insbesondere wenn es als Gegenpol, als Balancing, als Ausgleich so dringend nötig wäre. Stundenlange nächtliche Autofahrten mit lauter Musik, offenen Fenstern und gutem Bier können zwar helfen, sind aber nicht viel mehr als ein weniger befriedigendes Substitut. Hinzu kam die Nachricht vom Tode Andrea Haugens, die dem Massenmord eines offensichtlich geisteskranken Irren zum Opfer fiel. Auch wenn sie in der letzten Zeit weniger Musik gemacht hat, sollten Hagalaz Runedance und Nebelhexe jedem Freund nordisch-folkloristischer Klänge ein Begriff sein. R.I.P., Andrea.

Nichtsdestotrotz gab es einige Alben, die den Soundtrack dazu geliefert haben. Nicht verwunderlich, dass das meiste davon in die düster-brutale Ecke zu verordnen ist. Und immerhin, es gab die Möglichkeit, sich mal mit Bands zu beschäftigen, die irgendwie vorüber gegangen waren, aber jetzt präsent sind. Dazu gehören neben den unglaublichen Arx Atrata auch Ossadogva und Coldworld, die zwar die hauseigene Playlist dominieren, aber nicht in die Liste einfließen, da die Releases schon lang zurückliegen. Und mit dem Erwerb der Diskographie von Amenra und The Black Dahlia Murder wurden sogar zwei absolut unglaubliche Wissenslücken geschlossen.

Enttäuschungen? Neben den fehlenden Liveevents gab es auch diversen Schrott sondergleichen – zum Beispiel die Jahrestags-Gülle von Metallica, die es geschafft haben, dass von knapp über 50 Künstlern, die Songs vom Black Album gecovert haben, etwa 49 einfach eine absolute Frechheit abgeliefert haben.

Insgesamt aber war es ein Jahr, das mit exzellenten Alben nur so vollgestopft war. Wie auch anders – man hat ja sonst nichts zu tun.

Folgende Alben dieses Jahres wandern also in die Top 20 – ohne bestimmte Reihenfolge. Müsste ich mich auf ein Album des Jahres festlegen, dann wäre das wohl GRAB.

 

Summoning The Lich – United In Chaos

Grindcore – Death Metal mit unglaublichem Gespür für Melodien im Dunstkreis von Cattle Decapitation und TBDM. Exzellentes Debutalbum.

 

Archspire – Bleed The Future

Ohne Worte. Muß man gehört haben, um es zu glauben. Top3 Material. Es gibt bestimmt Menschen, denen der Kopf beim Zuhören explodiert.

 

The Lovecraft Sextet – In Memoriam

Willkommen zur Cthulhukalypse. Musik, um im Dunkeln Angst zu bekommen. Herausragend.

 

Massacre – Resurgence

Oldschool, oldschooliger, am oldschooligsten, Massacre. Die Uralt-Veteranen von der Geriatriestation broten im Lovecraft Tentaclian Universe herum, dass es eine Freude ist. Bestes sortenreines Death Metal-Album des Jahres.

Unto Others – Strength

Ja, natürlich. Muss ja, hat ja jeder in seiner Liste. Stimmt aber halt. Die sind einfach gut. Gothic meets old school 80er Metal.

Hulkoff – Ragnarök

Die Meister des Brutal-Brachialen nordischen Viking Folk Industrial Metals liefern wie immer ab. Melodiös, eingängig, knallhart und mit einer der besten Stimmen im Metal gesegnet.

At The Gates – The Nightmare Of Being

At The Gates sind dabei, weil sie nun einmal At The Gates sind. Nuff said.

Hypocrisy – Worship

Hypocrisy sind dabei, weil sie nun einmal Hypocrisy sind. Nuff said.

African Imperial Wizard – Behanzin

Was soll man dazu sagen? Origineller geht es kaum. Martial Industrial, experimenteller Elektro – aus Angola. Musik für eine brutale Zukunft. Verbindet afrikanische Folklore mit dem Sound der Apokalypse. Zum Entrücken.

King Of Asgard – svartrviðr

Auch die Weltenkönige aus Finnland haben mit ihrem Album wieder abgeliefert. Die Death Metal-Version von Hulkoff. Nordisch, melodisch, hart. Einfach gut.

Can Bardd – Devoured By The Oak

Folk Black Metal, immer noch unter dem Radar von vielen. Episch, schwelgerisch, überlang. So wie es sein sollte.

Grab – Zeitlang

Das Debutalbum (von allerdings etablierten Musikern) bietet eine Stunde lang Mundart – Black Metal der melodiösesten, aber auch düstersten Sorte. Ein Instant Classic. Überragend.

Tardigrada – Vom Bruch bis zur Freiheit

Ganz kurz vor Jahresende hauen Eisenwald noch das neue Album von Tardigrada raus, das vermutlich in keiner Liste auftauchen wird, weil keiner außer mir seine Liste am 31.12. macht. Ein Meisterwerk des depressiven Black Metals.

Thulcandra – A Dying Wish

Eine exzellente Kopie von Dissection funktioniert auch im Jahr 2021 noch sehr sehr gut.

Ghost Bath – Self Loather

Mehr Depressive Black Metal, passend zur allgemein vorherrschenden Weltuntergangsstimmung. Düster, hart, brutal, hoffnungslos.

Trivium – In The Court Of The Dragon

Klassischer Heavy Metal, etwas Metalcore, grandiose Musiker, Melodien zum niederknien. Trivium liefern immer.

Cave Bastard – Wrath Of The Bastard

Noch eine Band aus der Auf die Fresse-Fraktion, die hatte `21 eben Hochkonjunktur. Nicht ganz so schnell und nicht ganz so progressiv wie Archspire, nicht ganz so melodiös wie Summoning the Lich. Passt aber ins selbe Schema. Noch dazu Hellseher – die Lyrics gegen Impfschwurbler stammen aus 2019 (also VOR Corona…)

Khemmis – Deceiver

Eine etwas ungewöhnliche Mischung aus klassischem Doom Metal und amerikanischem Hipster Radio Rock. Das Ergebnis kann sich absolut hören lassen.

A Pale Horse Named Death – Infernum In Terra

Was passiert, wenn die Geister von Chris Cornell und Pete Steele zusammen musizieren? Bitte schön!

Carnifex – Graveside Confessions

Brutalster Death Metal mit hochgradig melodischen, fast symphonischen Parts, unterbrochen von Grindcore-Elementen. Meisterlich präzise.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar