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Drones

Das war’s dann wohl mit dem Gleichstellungsalbum für männliche Wabenbewohner: Überdimensionale, leblose Namensvetter haben ihnen im 21. Jahrhundert den Rang abgesummt. Als Inbegriff der rüstungstechnologischen Überlegenheit, aber auch ungerecht verteilten Kriegsleids sind die fernsteuerbaren Tötungsmaschinen gern gewälzter Diskussionsgegenstand. Drohnen stehen am Ende eines Mechanismus’, der mit jedem Glied weniger Empathie abverlangt. Muse – wer auch sonst? – bauschen das Reizthema zusätzlich auf, indem sie ihm eine ganz neue Dimension verleihen: Drohnen, das ist nicht nur der Tod von oben – das sind wir alle! Die von gesteuerten Gesteuerten gesteuerten Steuernden.

Was das für die Nachwelt bedeutet? Nun, verunsicherte Ehefrauen könnten morgens ratsuchend zum Hörer greifen: Sie seien höchstwahrscheinlich neben einer Drohne aufgewacht. Man wird ihnen womöglich raten, sich ruhig zu verhalten und an das zuständige Verwaltungsgericht zu wenden. Womit übrigens auch schon der gewagteste gedankliche Purzelbaum ausgemacht wäre. Lyrisch wird auf ‚Drones‘ entgegen der Ernsthaftigkeit der Thematik weder geknotet noch geplatzt. Statt sich an auch nur halbwegs seriöser Formulierung aufzuhalten, drischt man Phrasen, spielt das immer gleiche alte Blatt mit der dicken Hose aus und überhebt sich böse. Das Hochpolitische hängt Matt Bellamy auf den Schülterchen wie ein zu großes Sakko, und auch die falsettiert-jaulende Vortragsart wird dem Sujet an keiner Stelle gerecht. Zum Stopfen herhalten muss die bandtypisch hochstaplerische Instrumentierung – hin und wieder wirklich brillant, weitaus öfter aber einfach nur vorlaut wie der ‚[Drill Sergeant]‘, der als Interlude den Boden für ‚Psycho‘ bereitet – einen Song, der weitaus weniger tollkühn rüberkommt, als er vermutlich gemeint war, den aber im Zweifel die Stadien groß machen werden, weil man sein Riff dort schon ewig kennt.

Stücke wie die bauernfängerischen ‚Mercy‘ und ‚Revolt‘ mit ihrer schalen Hymnik sind schwerer zu verteidigen. Billiger haben sich Muse selten verhökert – da langen dann auch ein paar Brösel alter Pracht im Stile von ‚Black Holes And Revelations‘ nicht mehr zum Andicken. Dazu eine handvoll minder schwerer Skipper sowie die plattesten liedermacherischen Statements seit Placebos unsäglicher ‚Too Many Friends‘-Single, und fertig ist das Protest-Prog-Ungeheuer. Wie so oft in den letzten Jahren fühlen sich Muse bedenklich allmächtig und setzen mehr aufs Bellen denn aufs Beißen. Mehr auf Slogans denn auf echte Impulse. Dick aufgetragen, dünn gedacht. Kann passieren, wenn einem der eigene Anspruch über den Kopf wächst. À propos: Ist wem Chris Wolstenholmes generalüberholtes Haupthaar aufgefallen? Mindestens so verdächtig wie die Machenschaften der ‚Reaper‘, ‚Handler‘ und ‚Globalist’en, die auf diesem außer Kontrolle geratenen Konzeptklops ihr Unwesen treiben. Und ähnlich wenig relevant noch dazu.

Ach ja. ‚The Globalist‘. Auf diesem hohen Ross der Quoten-Epik tritt das Trio seinen vorerst letzten Ritt an, klatscht hochmütig alles aneinander, was es am besten von allen zu können glaubt. Irrigerweise, ist man nach all den fetten Jahren geneigt zu sagen, denn ‚Drones‘ lässt erstaunlich wenig da. Aus dem wortwörtlich letzten Loch pfeift eine Art Western-Klaus-Meine, bevor man mit wirrem, sakral anmutendem A-cappella-Kanon aus dem Album scheidet. Ein ‚Amen‘ markiert das Albumende – Chuzpe, die man erst mal haben muss. Die Ankündigung, diese reißerische Antihelden-Geschichte um einen namenlosen, von der Gesellschaft gebeutelten armen Tropf zum Musical zu upgraden, ist ein schlechter Scherz auf dem besten Weg zur Drohung.

Die Obrigkeitshörigen und peripher Geschichtsbewussten unter den Hörern linkt ‚Drones‘ kurzerhand mit einem verschwörerischen [JFK]-Sample. ’61, Waldorf Astoria, Kommunismus, weißte Bescheid. Und wer vor lauter Blockbuster-Bombast die Botschaft nicht rafft, den wuppen Muse mit dem vermutlich plakativstmöglichen Cover-Artwork auf Erden. Befehlskette, Gleichschaltung, schwächste Glieder, längere Hebel, deine Oma was an inside job. Schon gut, Muse, wir haben’s gecheckt: Es steht schlimm um die Menschheit. Euch ging es aber auch mal deutlich besser. 2015 setzt man die Muse-ik besser früher als später außer Gefecht. Vorzugsweise ganz der Zeit gemäß: aus der Ferne, per Knopfdruck, und bitte ohne Skrupel.

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