Devin Townsend ist bekanntlich ein Tausendsassa. Egal, ob er extremen Metal oder Prog, Punk, Ambient, New Wave oder kürzlich ja auch Country- und Folk-Musik schreibt, man kann sicher sein, dass etwas Spannendes dabei herauskommt. Kürzlich erklärte der Kanadier ja sogar, eine Symphonie schreiben zu wollen. Wir haben auf dem Euroblast Festival in Köln die Gelegenheit ergriffen, uns 15 Minuten lang mit Devin Townsend über seine aktuellen Projekte zu unterhalten.

Als wir uns und Whiskey-Soda vorstellen und dem Kanadier erklären, dass unser Magazin nun schon seit 20 Jahren „im Business“ ist, stellt er fest, dass dies ja auch auf ihn zutrifft und wir daher im selben Boot sitzen. „Auch ich bin nicht der Größte in der Szene“, sagt Devin Townsend bescheiden. „Aber ich bin schon lange dabei, so wie Ihr!“
Townsend hat vor kurzem getwittert, dass er gefühlt sein halbes Leben unterwegs und im Flugzeug verbringe. Aber er findet immer die Gelegenheit zur Meditation zwischendurch oder zum Workout, auch wenn er „in beidem nicht gut“ ist, wie er uns erklärt. „Jemand hat mir mal gesagt, dass man als Profimusiker nicht dafür bezahlt wird, um Musik zu machen. Man wird für das Herumreisen bezahlt.“
Erst wenige Tage vor dem Euroblast Festival hat Devin Townsend im bulgarischen Plovdiv ein ganz besonderes Konzert gemeinsam mit einem großen Symphonieorchester gegeben. Er erinnert sich: „Wie es immer ist: Manche Dinge funktionieren, und andere nicht. Wenn immer alles funktionieren würde, wäre es keine Herausforderung und kein Triumph für mich. In Bulgarien hat fast alles geklappt. Na ja, wir hatten Feuerwerk und haben das Dach in Brand gesetzt.“
Mit einem Orchester würde Devin Townsend gerne noch einmal zusammenarbeiten, und die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht. Schon seit einiger Zeit arbeitet er an einem Werk namens „The Moth“. Das Werk wird von einer Größe sein, wie der Sänger und Gitarrist sie bisher noch nicht auf der Bühne verwirklichen konnte. „Mit Surroundsound, einem Orchester und Chor. Die Show in Bulgarien war eine Vorstufe, die mir Erfahrungen gegeben hat, jetzt kann es mit ‚The Moth‘ weitergehen.“ Der Musiker hat vor kurzem einmal erklärt, er brauche 10 Millionen Dollar für das Projekt. „Nun, ich kann es auch für 5000 Dollar machen, aber das wäre nicht das gleiche. Es für 10 Millionen umzusetzen, entspräche dem ganzen Punkt, den ich damit ausdrücken möchte, nämlich wie exzessiv und verschwenderisch die Menschheit geworden ist. Wenn also jemand so viel Geld in SO EIN Projekt investiert, würde das künstlerisch sehr interessant werden. Man könnte das ganze Geld ausgeben und zeigen, wie…hässlich Geld doch ist, man könnte ein Zeichen setzen.“
Von den geplanten Projekten zurück in die Vergangenheit. Der Kanadier hat auf zwei Alben die Geschichte des Aliens Ziltoid erzählt, das auf der Erde einen Kaffee trinken möchte und schließlich in einen intergalaktischen Krieg verwickelt wird. Er hat dazu auch Ziltoid selbst als Puppe entworfen. Inspiriert wurde diese Puppe durch einen seiner Lieblingsfilme, nämlich Jim Hensons „Der Dunkle Kristall“. „Dieser Film hat damals mein Leben verändert“, berichtet Townsend. „Ziltoid ist eine Metapher für…ja, für mich und meinen Zorn und meine Angst. Auf gewisse Weise für meine Entfremdung von dieser Welt. Für mich ist es einfacher, so etwas durch einen albernen Puppencharakter zu sagen. Angst, Zorn, Entfremdung, das waren Themen, mit denen ich mich unbedingt auseinandersetzen musste, und es erschien mir mit dieser Puppe der beste Weg, das zu tun.“
Auf dem zweiten Ziltoid-Album darf das Alien dann am Ende sogar kurz „Memory“ aus dem Musical „Cats“ anstimmen. Townsend erklärt, dass er als Kind viele Musicals gesehen habe und wirklich gern mochte. „Wie gesagt, Ziltoid ist eine übertriebene Version von mir selbst. Natürlich mag er Musicals!“
Devin Townsend hat in der Vergangenheit oft mit Sängerinnen wie Anneke Van Giersbergen oder Ché Aimee Dorval zusammengearbeitet. Auf Tour ist er aber meistens ohne weibliche Unterstützung unterwegs. „Sie haben ihre eigenen Karrieren und ihre eigenen Termine, da passt das nicht immer. Aber ich liebe Sängerinnen, vermutlich kommt das daher, weil ich als Kind so ein großer Fan von Enya war. Ich arbeite gerne mit Frauen zusammen. Ich bin verheiratet, und ich liebe das Denken weiblicher Wesen. Anneke und Aiée sind wirklich gute Freunde von mir.“
Wir haben dieses Jahr auf dem Euroblast Festival versucht, die spannende Frage zu klären, ob Gitarren mit mehr als sechs Saiten, wie man sie gerade auf diesem Festival immer wieder in Aktion sieht, wirklich notwendig oder eher überflüssig sind. Was sagt denn Meister Devin Townsend dazu? Ein knappes „nett, toll!“ muss hier leider aus Zeitmangel genügen. Toll ist auf jeden Fall die später am Abend folgende Show des Kanadiers als Headliner des Festivals, und wir freuen uns auf hoffentlich noch viele weitere außergewöhnliche Alben des Künstlers, und natürlich auf „The Moth“, ob nun mit oder ohne Penisse.
Interview, Übersetzung und Fotos: Michael Buch