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Devin Townsend – Von kleinen Männern, die mit ihren Schwänzen kämpfen


Als wir uns und Whiskey-Soda vorstellen und dem Kanadier erklären, dass unser Magazin nun schon seit 20 Jahren „im Business“ ist, stellt er fest, dass dies ja auch auf ihn zutrifft und wir daher im selben Boot sitzen. „Auch ich bin nicht der Größte in der Szene“, sagt Devin Townsend bescheiden. „Aber ich bin schon lange dabei, so wie Ihr!“

devin_townsend1.jpg „Der Künstler, der für seine lauten und wilden Shows bekannt ist, dort ständig Sprüche reißt und Anspielungen macht, erscheint privat als ruhiger, fast introvertierter Typ, der freundlich, sachlich und entspannt auf unsere Fragen eingeht. Devin Townsend spielt – im Gegensatz zu vielen anderen Bands des diesjährigen Festivals – zum ersten Mal auf dem Euroblast. Nervös ist er nach so vielen Gigs und Touren natürlich nicht mehr, aber aufgeregt schon, er freut sich auf das heutige Konzert zum Festivalabschluß. „Manchmal bin ich erstaunt, dass ich es nach all den Jahren immer noch so aufregend finde“, gesteht der Musiker. „Ich meine, ich könnte nach so langer Zeit auch einen Groll hegen. Nicht gegenüber dem Geschäft, sondern gegen diese Intensität. Es war so eine lange und seltsame Reise seit meinem Karrierebeginn. Darum ist die Tatsache, dass ich immer noch so viel Spaß daran habe, für mich sehr…erleichternd.“ Er muss lachen.

Townsend hat vor kurzem getwittert, dass er gefühlt sein halbes Leben unterwegs und im Flugzeug verbringe. Aber er findet immer die Gelegenheit zur Meditation zwischendurch oder zum Workout, auch wenn er „in beidem nicht gut“ ist, wie er uns erklärt. „Jemand hat mir mal gesagt, dass man als Profimusiker nicht dafür bezahlt wird, um Musik zu machen. Man wird für das Herumreisen bezahlt.“

Devin_townsend3.jpg „Der Kanadier hat immer wieder betont, dass er nur für sich selbst Musik macht. Wenn es Leute gibt, denen das gefällt, freut er sich natürlich, aber er wird sich niemals irgendwelchen Konventionen oder Vorgaben beugen, ist vermutlich auch gerade deswegen so vielseitig. Aber dennoch: „Natürlich bin ich jetzt in der Position, wo ich eine tolle Crew habe, die für mich da ist, wunderbare Musiker stehen mit mir auf der Bühne, und ich bekomme all die Ausrüstung und Technik, die ich schon immer haben wollte. Das ist alles wie ein Traum für mich. Aber wenn man 40 Stunden in der Woche am Reisen ist, macht das schon alt. Man fühlt sich verwirrt.“

Erst wenige Tage vor dem Euroblast Festival hat Devin Townsend im bulgarischen Plovdiv ein ganz besonderes Konzert gemeinsam mit einem großen Symphonieorchester gegeben. Er erinnert sich: „Wie es immer ist: Manche Dinge funktionieren, und andere nicht. Wenn immer alles funktionieren würde, wäre es keine Herausforderung und kein Triumph für mich. In Bulgarien hat fast alles geklappt. Na ja, wir hatten Feuerwerk und haben das Dach in Brand gesetzt.“

Mit einem Orchester würde Devin Townsend gerne noch einmal zusammenarbeiten, und die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht. Schon seit einiger Zeit arbeitet er an einem Werk namens „The Moth“. Das Werk wird von einer Größe sein, wie der Sänger und Gitarrist sie bisher noch nicht auf der Bühne verwirklichen konnte. „Mit Surroundsound, einem Orchester und Chor. Die Show in Bulgarien war eine Vorstufe, die mir Erfahrungen gegeben hat, jetzt kann es mit ‚The Moth‘ weitergehen.“ Der Musiker hat vor kurzem einmal erklärt, er brauche 10 Millionen Dollar für das Projekt. „Nun, ich kann es auch für 5000 Dollar machen, aber das wäre nicht das gleiche. Es für 10 Millionen umzusetzen, entspräche dem ganzen Punkt, den ich damit ausdrücken möchte, nämlich wie exzessiv und verschwenderisch die Menschheit geworden ist. Wenn also jemand so viel Geld in SO EIN Projekt investiert, würde das künstlerisch sehr interessant werden. Man könnte das ganze Geld ausgeben und zeigen, wie…hässlich Geld doch ist, man könnte ein Zeichen setzen.“

devin_townsend2.jpg „“The Moth“ ist auch unter dem Namen „Penis-Symphony“ bekannt. Devin Townsend führt dazu aus: „Es ist so traurig. Wenn man die Nachrichten einschaltet, sieht man überall kleine Männer, die quasi mit ihren Schwänzen miteinander kämpfen. Wer hat den größeren? Darum geht es in dem Stück. Männer und Macht und Penisse. Es soll nicht witzig sein, sondern richtig hässlich, denn darum geht es. Die Aussage am Ende ist, dass es alles fundamental absurd ist.“

Von den geplanten Projekten zurück in die Vergangenheit. Der Kanadier hat auf zwei Alben die Geschichte des Aliens Ziltoid erzählt, das auf der Erde einen Kaffee trinken möchte und schließlich in einen intergalaktischen Krieg verwickelt wird. Er hat dazu auch Ziltoid selbst als Puppe entworfen. Inspiriert wurde diese Puppe durch einen seiner Lieblingsfilme, nämlich Jim Hensons „Der Dunkle Kristall“. „Dieser Film hat damals mein Leben verändert“, berichtet Townsend. „Ziltoid ist eine Metapher für…ja, für mich und meinen Zorn und meine Angst. Auf gewisse Weise für meine Entfremdung von dieser Welt. Für mich ist es einfacher, so etwas durch einen albernen Puppencharakter zu sagen. Angst, Zorn, Entfremdung, das waren Themen, mit denen ich mich unbedingt auseinandersetzen musste, und es erschien mir mit dieser Puppe der beste Weg, das zu tun.“

Auf dem zweiten Ziltoid-Album darf das Alien dann am Ende sogar kurz „Memory“ aus dem Musical „Cats“ anstimmen. Townsend erklärt, dass er als Kind viele Musicals gesehen habe und wirklich gern mochte. „Wie gesagt, Ziltoid ist eine übertriebene Version von mir selbst. Natürlich mag er Musicals!“

Devin_Townsend4.jpg „Ziltoid wurde durch einen Film inspiriert – aber hätte Devin Townsend auch gerne selbst für Hollywood oder andere Filmstudios gearbeitet mit seinen bizarren Ideen? „Ich habe schon immer Musik gemacht. Ich kann nichts anderes. Ich habe auch nie darüber nachgedacht, etwas anderes als Musik zu machen.“ Nun, wie sieht es mit der Musik für einen Soundtrack aus? „Mich hat noch nie jemand nach so etwas gefragt“, erklärt der Musiker. „Das Problem daran wäre, dass ich immer dann am kreativsten bin, wenn mir niemand vorschreibt, was ich gerade machen soll. Ich müsste also am besten ganz ohne Vorgaben arbeiten dürfen. Wenn der Regisseur sagt: ‚Schreib für diese Szene einen Rocksong‘, dann wäre das nichts für mich. Aber wer weiß, vielleicht wird sich ja irgendwann einmal etwas ergeben, das wäre sicher interessant.“

Devin Townsend hat in der Vergangenheit oft mit Sängerinnen wie Anneke Van Giersbergen oder Ché Aimee Dorval zusammengearbeitet. Auf Tour ist er aber meistens ohne weibliche Unterstützung unterwegs. „Sie haben ihre eigenen Karrieren und ihre eigenen Termine, da passt das nicht immer. Aber ich liebe Sängerinnen, vermutlich kommt das daher, weil ich als Kind so ein großer Fan von Enya war. Ich arbeite gerne mit Frauen zusammen. Ich bin verheiratet, und ich liebe das Denken weiblicher Wesen. Anneke und Aiée sind wirklich gute Freunde von mir.“

devin_townsend5.jpg „Trotz seiner vielen Projekte und musikalischer Ausrichtungen, wird Devin Townsend immer noch primär mit dem Metal assoziiert und ist auch live mit vielen Bands unterwegs, die noch wesentlich härter sind als er selbst, so zum Beispiel mit Periphery. „Na ja, es ist mit Heavy Metal Sängern genau wie mit Pornodarstellern“, erklärt Townsend die Zusammenhänge auf seine ganz eigene, ihm typische Art und Weise. „Wenn man einmal so etwas gemacht hat, wird man darauf festgelegt.“ Er versichert uns allerdings, das dies für ihn vollkommen in Ordnung geht und er glücklich damit ist, auf Metal festgelegt zu werden. Unser Tipp für euch: Hört aber unbedingt auch einmal in Projekte wie Casualties Of Cool rein, es lohnt sich!

Wir haben dieses Jahr auf dem Euroblast Festival versucht, die spannende Frage zu klären, ob Gitarren mit mehr als sechs Saiten, wie man sie gerade auf diesem Festival immer wieder in Aktion sieht, wirklich notwendig oder eher überflüssig sind. Was sagt denn Meister Devin Townsend dazu? Ein knappes „nett, toll!“ muss hier leider aus Zeitmangel genügen. Toll ist auf jeden Fall die später am Abend folgende Show des Kanadiers als Headliner des Festivals, und wir freuen uns auf hoffentlich noch viele weitere außergewöhnliche Alben des Künstlers, und natürlich auf „The Moth“, ob nun mit oder ohne Penisse.

Interview, Übersetzung und Fotos: Michael Buch

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