Chronomonaut

Für meine ganz eigenen Ohren steckten Glass Hammer seit ein paar Jahren so ein wenig in der Krise. Stilistisch hatte sich die Band spätestens nach den nicht allzu positiv aufgenommenen Experimenten mit Modern Rock-Elementen ein wenig festgefahren und die Frische, die ihr Frühwerk auszeichnete, machte immer mehr dem puren Schönklang Platz. Nie war ein Album wirklich schwach, aber es löste auch keines mehr die große Begeisterung aus. Die Ankündigung, dass die Band nach 18 Jahren nun den Nachfolger ihres Konzeptalbums „Chronometree“ aufnehmen wollte, wurde von mir entsprechend zwiespältig aufgenommen – war doch gerade „Chronometree“ mit seiner Selbstironie und der verspielten musikalischen Ausrichtung ziemlich genau das Gegenteil von jüngeren Alben wie „Valkyrie“ oder „The Breaking Of The World“. Würden Babb & Schendel es tatsächlich schaffen, an die Vorlage anzuknüpfen?

Kurz gesagt – ja. Überraschenderweise ist „Chronomonaut“ nämlich das seit langem überzeugendste Glass Hammer-Album geworden. Die Rückkehr zur Story des von Aliens geplagten Progfans Tom scheint bei den Damen und Herren eine gewisse Frischzellenkur eingeleitet zu haben. Klar, immer noch sind Yes als die Vorväter des Glass Hammer-Sounds deutlich herauszuhören, aber daran hat man sich in den letzten 25 Jahren eben auch gewöhnt – und da liegt auch einfach auch die Komfortzone der Band. „Chronomonaut“ hat aber dieses Mal noch eine ganze Menge mehr zu bieten. Im ersten „richtigen“ Song ‚Roll For Initiative‘ geht es musikalisch beispielsweise zurück in die späten Sechziger, das klingt dank launiger Bläser definitiv authentisch nach dem Pop des Swingin‘ London und bedeutet Neuland für Glass Hammer. Wie auf „Chronometree“ spickt die Band die Songs durchweg mit für Insider durchaus amüsanten Genrezitaten wie dem Canterbury-Sax auf ‚The Past is Past‘ oder ‚Tangerine Meme‘ – na, worauf spielt der Titel wohl an? Mit ‚It Burns Sideways‘ traut sich die Band gar an ein waschechtes Stoner-Rock-Riff, das überraschender weise und trotzdem erstaunlich natürlich mit einem launigen Neoprog-Part mit ‚Cinema Show‘-Flair gekoppelt wird. Auch Soul, Achtziger-Pop, Hardrock, Folk, Fusion und noch so Einiges finden sich in Spurenelementen wieder und verhelfen den Songs zu jeder Menge Abwechslung und Wiedererkennungswert.

Natürlich ist „Chronomonaut“ aber keine Parodie oder gar ein Comedy-Album geworden. Sämtliche Songs funktionieren natürlich auch, wenn man keines der Zitate erkennt und gehören durchweg zum Besten, was die Band in den letzten Jahren abgeliefert hat. Auch die wie üblich sehr abwechslungsreiche Gesangsaufteilung passt da ins Konzept. Neben Steve Babb und Suzie Bogdanovich steuern auch Disciplines Matthew Parmenter und der mir vollkommen unbekannte Patton Locker Leadvocals bei. Am Besten wirkt das natürlich, wenn wie im abschließenden (?) ‚Fade Away‘ die unterschiedlichen Stimmen miteinander verwoben werden – das soll die „Solosongs“ aber freilich nicht abwerten. Hier stimmt alles – die Instrumental-Arbeit, die Hooklines und auch die warme, erdige und vollkommen unglamouröse Produktion. Kurz gesagt – Glass Hammer sind zurück mit einem ihrer besten Alben und gleichzeitig einer der bisher stärksten Progscheiben des Jahres. Hierzulande ist das Album – wie auch viele Alben aus dem Backkatalog der Band – erhältlich über Just For Kicks.

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