Paradigms

Ein Bandname wie Semantic Saturations lässt ja zunächst nicht unbedingt sonderlich Allgemeingefälliges erwarten. Nun, Semantic Saturations sind aber ehedem keine Band im ursprünglichen Sinne, und Shant Hagopian, der für vorliegendes Album kreativ verantwortlich zeichnet, hat zugegebenermaßen einen noch weniger griffigen Namen als sein Projekt. Aber, was soll’s? Namen sind Schall und Rauch, und man hat sich ja irgendwann auch an Excrementory Grindfuckers gewöhnt.

Nicht, dass irgendetwas auf „Paradigms“ musikalisch etwas mit den Hannoveraner Grindschlagerkönigen zu tun hätte. Hier gibt’s feinsten, hochmelodischen und gitarrengetragenen Instrumentalprog mit saftigem Rockfundament, der irgendwo zwischen Liquid Tension Experiment und Joe Satriani angesiedelt ist. Die meisten Stücke sind zwischen vier und fünf Minuten lang, lediglich das abschließende ‚Where Dreams Have Died‘ überschreitet die Zehn-Minuten-Marke. Ansonsten fast sich Shant recht kurz und bleibt auch kompositorisch weitgehend bodenständig. Die Leadgitarre übernimmt in den im traditionellen Songformat komponierten Songs quasi die Gesangsparts, und so richtig auf Elf gedreht wird’s nur in den entsprechenden „Solopassagen“. Als Rhythmusgruppe hat Shant Drummer Craig Blundell (Steven Wilson) und Bassist Kristofer Gildenlöw (ex-Pain Of Salvation) engagiert, und das wertet das Album natürlich gleich ein gutes Stück auf. Klar, kompositorisch hat keiner der beiden irgendwelchen Einfluss auf „Paradigms“ ausgeübt, und es ist nicht anzunehmen, dass das Trio sich jemals im „echten Leben“ getroffen hat. Aber die beiden Vollprofis bringen einen besonderen Groove und viel eigenes Charisma mit, was dem Album hilft, nicht nach einem der üblichen „Gitarrist nimmt Soloplatte mit Mietmusikern auf“-Klischees zu klingen.

Stilistisch gibt’s hier ebenfalls erfreulich ziemlich viel Abwechslung. Wo ‚Until We Met Again‘ im melodischen Jazzrock fusst, kommt im Opener ‚Mirrors Of Confusion‘ ein klassisches Led Zeppelin-Riff zum Tragen, ‚Carousel Of Death‘, ‚Ulterior Harmony‘ (mit Derek Shirinian-Gastauftritt) und ‚The Man From Andromeda‘ sind urtypischer Preog Metal im Spätneunziger Dream Theater-Stil. Einzig das Blues-Experiment ‚Empty Whiskey Jar‘ mit deutlichen Bonamassa-Anleihen wirkt etwas bemüht. Der Blues liegt Hagopian stilistisch nicht sonderlich, und die kurzen Scat-Gesangseinlagen wirken auch eher uninspiriert und surfen für mein Ohr meilenweit am Song vorbei. So richtigen Wiedererkennungswert in Sachen Sound und Spielweise kann man Shant zwar noch nicht bescheinigen – dafür bedient er sich noch ein wenig zu sehr bei seinen Vorbildern, allen voran John Petrucci, Steve Lukather und dem erwähnten Joe Satriani. Dafür gibt es aber eine Top-Produktion, schön dynamisch und in den lauteren Passagen ordentlich druckvoll rockend, und da es sich bei „Paradigms“ auch erst ums zweite Album handelt, gibt man da gerne noch etwas zu.

Da auch das Artwork mit seinen cheesig-psychedelischen Gehirn-Pilz-Aliens zu gefallen weiß, gibt es also für Liebhaber eingängigen Instrumentalprogs keinen Grund, sich „Paradigms“ nicht auf die Liste zu setzen. Zu beziehen gibt’s die Scheibe des Kanadiers hierzulande über den Webshop von Just For Kicks.

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