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Hell

Man liebt sie, oder man hasst sie. Dazwischen gibt es nichts. Selbst in den elitären Reihen der zur journalistischen Objektivität verpflichteten Whiskey-Soda.de-Redaktion nicht. Entbrannte doch jüngst im sonst sehr demokratischen und friedlichen Chefredakteurs-Chat ein erbitterter Streit darüber, ob eine Band wie die ärzte mit ihrer neuen Platte „Hell“ (Hot Action Records) Album des Monats sein darf. Die einen fanden die ärzte schon immer göttlich (eh klar), die anderen seit jeher doof, albern und so absolut nicht Punk. Es darf getrost behauptet werden: Das ist Volkes Meinung zur Besten Band der Welt in a nutshell.

Album des Monats Oktober wurde bekanntlich eine andere, offenbar weniger umstrittene Combo. Doch allein die Tatsache, dass sich auch nach fast 40 Jahren Bandgeschichte (ok, mit Unterbrechungen) noch trefflich über die Relevanz von die ärzte zanken lässt beweist, dass sie keinen Millimeter an Relevanz eingebüßt haben. Eat this! So gesehen ist jedes weitere Album von BelaFarinRod – völlig wurscht, wie lange es auf sich warten lässt – der ausgestreckte Mittelfinger an alle, die die Band aus Berlin (aus Berlin!) schon längst in der Versenkung verschwinden sehen wollten. Tja, Totgesagte leben länger, sprach der Graf.

So, nun aber zu „Hell“. Allein der Albumtitel wird dem, wofür die ärzte stehen, mehr als gerecht: Subtil verpackte, oft politische Botschaften, die gerne doppelbödig daherkommen. „Hell“ – entweder die Hölle oder der strahlende Glanz. Suchs Dir aus. Dieser rote Faden der Doppeldeutigkeit zieht sich nicht nur durchs gesamte Œvre, sondern selbstredend auch durch die Platte. Nach dem für Gitarren-affine Ohren leicht verstörenden Intro „E.V.M.J.F.“ geht es im bewährten, gelegentlich eigenwilligen die-ärzte-Sound weiter. Es darf schrammeln, es darf sich an Harmonie-Gesang ergötzt werden, Banjos und Streicher kommen punktuell ebenso zu ihrem Recht wie Ausflüge in tropische Genre-Gefilde.

Ok, alles nicht innovativ. Trotzdem gelingt es BelaFarinRod immer wieder, ihre musikalischen Eigenheiten neu zu arrangieren und spannend zu verpacken, sodass „Hell“ definitiv eine akustisch abwechslungsreiche Scheibe ist die zwingt, genau hinzuhören. Denn die Texte haben es wie immer in sich. Was harmlos daherkommt, kann schnell durch ein einziges Schlagwort eine dramatische Wendung nehmen („Ich, am Strand“, „Achtung: Bielefeld“). Während ein Stück wie die Single „Morgens Pauken“ erst einmal ein wenig im Ohr reifen muss, bis sich die Botschaft entfaltet, geht der Song „Leben vor dem Tod“ direkt in Mark und Bein. Ja. Die ärzte können auch nachdenklich.

Nun, was bleibt jetzt noch zu sagen? „Hell“ ist einmal mehr eine runde, äußerst gelungene die-ärzte-Scheibe. Vielleicht ist sie musikalisch nicht per Definition Punk. Wenn Punk allerdings heißt, auf Konventionen, Genre-Regeln und die Meinung anderer zu pfeifen – dann, ja dann ist „Hell“ mehr Punk als die Ramones und The Clash zusammen. Aber auch darüber lässt sich sicher einmal mehr trefflich streiten.

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