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Chants From Another Place

Jeder harte Kerl hat einen weichen Kern. So auch Jonathan Hultén. „Chants from Another Place“ (Kscope)  heißt sein erster Solo-Longplayer.  Der Musiker ist bekannt geworden als Gitarrist der schwedischen Death-Metal-Band Tribulation, aber hier schaltet er bewusst mindestens vier Gänge zurück und präsentiert überwiegend unaufgeregt sehr intime Songs über das Leben, den Tod und Spiritualität.

Wer hier also brachiale Gitarren oder aggressive Growls erwartet, liegt vollkommen falsch. Minimalistische Arrangement lenken den Fokus bewusst auf Hulténs dynamische und wunderschöne Stimme. Vor drei Jahren hat Hultén bereits die EP „The Dark Night Of The Soul“ im ähnlichen Stil veröffentlicht, und genau hier macht er jetzt weiter mit minimalistischem Folk und akustischer Intimität. Überwiegend begleitet er sich nur auf der akustischen Gitarre, wie es sich für einen Singer / Songwriter gehört. Im Hintergrund hören wir oft dezente Keyboard- oder Pianoklänge, manchmal auf perkussive Parts, aber trotz vieler stilistischer Einflüsse vom Folk über Rock bis hin zu mehrstimmigen Kirchenliedern bleibt das alles überschaubar und sehr direkt.

Beim Song ‚Outskirts‘ hat er sich von seinem Musikerkollegen Nacho Montero Hilfe für die Percussions geholt, ansonsten ist das Album im Alleingang entstanden. Ambientsounds treiben auf Chants From Another Place verträumt und diffus im Hintergrund, und immer wieder verfällt die Musik in eine leicht düstere, melancholische Stimmung. Das ist die perfekte Untermalung für einen – in Zeiten der Corona-Krise natürlich einsamen – Spaziergang durch einen dunklen Wald mit hohen Bäumen, die den Himmel fast vollständig verdecken. Einige Songs erinnert von den Gesangslinien stark an die Folk-Legenden Simon & Garfunkel.

Die Texte sind intim. Sehr sogar. Oft legt Hultén seine Stimme in mehreren Aufnahmespuren übereinander, erzeugt Harmonien und verschachtelte Effekte, setzt immer wieder die richtigen kleinen Akzente, um aus jedem Song, möge er auf den ersten Blick doch „nur“ eine ganz normale akustische Songwriter-Nummer sein, etwas ganz Besonderes zu machen. Große Worte sind eine Spezialität des Schweden, und gerade deshalb macht es hier Sinn, wirklich einmal auf die Lyrics zu hören.

At some point we realize that time itself won’t make us wise. We must learn what it’s like to stand firm through dark nights

Im letzten Drittel des Albums vermisst man ein wenig die Abwechslung, klingen die folkloristischen Ergüsse doch arg ähnlich und beschränkt sich der Text teilweise auf „la la la“. Aber dennoch: Hut ab vor einen Ausnahmekünstler und seiner Vision der Welt.

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