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Blurring The Lines

Was braucht eine gute Instrumentalscheibe?

Gute Frage! Die meisten Antworten darauf kann man aus „Blurring The Lines“, dem neuen Album der amerikanischen Instrumentalprogger OVRFWRD ableiten. Enormes technisches Niveau aller beteiligten Musiker? Check. Interessante melodische Einfälle, die dafür sorgen, dass man den Gesang nicht vermisst? Check. Viel Abwechslung und Spaß an genresprengenden Experimenten? Check. Eine saubere, professionelle Produktion, die alle Details klar heraushören lässt? Check – ach, Ihr wisst, auf was ich ‚raus will.

Das stilistische Grundgerüst der Band kann man irgendwo zwischen den Dixie Dregs, Steve Vai und Dream Theater/Liquid Tension Experiment verorten. Dazu gibt’s aber jede Menge Abseitiges und Unerwartetes, das sich bei so ziemlich jedem Künstler bedient, der je instrumental aktiv war. So ist zum Beispiel ‚Cosmic Píllow‘ eine inoffizielle ‚Larks Tongues In Aspic‘-Fortsetzung, ganz ohne Fripp, aber beseelt vom unsteten Geist der 1973er King Crimson. ‚Taiga‘ atmet den Spirit der Spätsiebziger Tangerine Dream, ganz ohne Sequencer. Durch den ausgiebigen Einsatz von Percussions und Congas klingen gelegentlich die Fusion-Alben von Carlos Santana und die frühen Journey (‚Mother Tongue‘!) durch, in den ruhigeren Momenten nähern sich OVRFWRD sogar den New-Age-Klängen von Gandalf oder Kitaro an. Von allem, was mit „Post“ anfängt, halten sie sich hingegen komplett fern – und das ist mit Sicherheit kein Fehler. Denn statt kompositorischem Minimalismus und Breitwand-Sound wird hier eher umgekehrt gearbeitet: die Kompositionen sind wunderbar detailliert und abwechslungsreich ausgearbeitet, die Bombastkeule bleibt dafür weitgehend in der Schublade. Dieses Durchdachte ist es auch, was dem Album den roten Faden verleiht: OVRFWRD wissen offenbar ganz genau was sie machen und überspannen den Bogen zu keiner Zeit. Ganz nach dem Untertitel „… A Democracy Manifest“ dudelt sich keiner der vier Musiker in den Vordergrund. jeder bekommt ausreichend Platz für solistische Eskapaden, in der zweiten Hälfte von ‚Mother Tongue‘ darf auch mal frei improvisiert werden, aber der Gesamteindruck bleibt erfreulich homogen.

Auch die Produktion der Scheibe kann durchweg begeistern. Besonders das hundertprozentig akustisch klingende Schlagzeug muss als Bonus gewertet werden. Die Band hat offenbar auch hier einen ziemlich klaren Plan gehabt, denn das Frequenzchaos der meisten Eigenproduktionen bleibt hier aus. Alle Instrumente sind soundtechnisch perfekt aufeinander abgestimmt und entsprechend im Mix positioniert – so macht das Spaß! Wer also Bock hat auf höchst unterhaltsame Instrumental-Mucke, die für Fusion-, Prog- und Einfach-So-Rock-Fans gleichermaßen interessant klingt, sollte sich das Album unbedingt vormerken. Den Vertrieb für die Scheibe übernehmen hierzulande die Underground-Spezialisten von Just For Kicks.

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