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Parlour Tricks

Dass Derek Archambault, der Frontmann der Melodic-Hardcore-Band Defeater, nicht nur theatralisch in ein Mikro brüllen kann, sondern überdies auch Qualitäten als Singer/Songwriter besitzt, verdeutlichte er 2013 eindrücklich mit ‚Bone & Marrow‘, dem Debütalbum von Alcoa. Zwar plätscherte dieses Nebenprojekt schon eine ganze Weile vor sich hin, doch erst mit der positiven Resonanz auf die Akustik-Tracks auf dem Defeater-Album ‚Endless Days & Sleepless Nights‘, nahm das Ganze an Schwung auf. Mit Erfolg, denn das Erstlingswerk konnte mit seinen melancholischen und selbstreflektierenden Country-Songs viele positive Kritiken einfahren. Eine Hochzeit und eine komplizierte Hüftoperation später, erscheint nun ‚Parlour Tricks‘, das zweite Album in voller Länge. Instrumental und stiltechnisch zeigt sich die Band darin experimentierfreudiger und Archambault von seiner romantischen Seite.

Bereits der erste Song, ‚Old Habbits‘, weist mit seinem flotten Schlagzeugtakt und ‚Woohoohoo‘ am Ende einen poppigen Charakter auf. Das darauf folgende Liebeslied ‚All Dolled Up‘ wirkt geradezu euphorisch. Nanu, wo ist denn die ganze Melancholie hin!? Keine Angst, auch die kommt nicht zu kurz. Titel wie ‚It Won’t Get Better‘ und ’13 Years Bad Luck‘ lassen die Schwermütigkeit bereits an ihrem Namen erkennen. Rockiger wird es mit ‚Rations‘ und ‚For Holden‘. Letzteres hätte auch ein Hit aus den Achtzigern sein können. Vom einschlägigen Vier-Viertel-Takt, über das ‚Ich laufe alleine durch die kalte Nacht‘-Klischee bis hin zum obligatorischen Gitarrensolo ist alles dabei. Vollkommen aus der Reihe fällt ‚Poison Acquaintance‘. Eine Geschichte darüber, dass sich Liebe oft an ungewöhnlichen Orten findet, vorgetragen vom Ehepaar Archambault im Duett zu sanften Klavierklängen. Wie kitschig das ist, muss jeder für sich entscheiden. Die Herzensdame erhält in ‚Parlour Tricks‘ mehr Gesangsanteile als noch in ‚Bone & Marrow‘. Ihr stimmliches Talent erreicht jedoch nicht das Niveau ihres Gatten. Die Platte endet mit dem ruhigen und traurig-schönen Country-Song ‚Famous Last Words‘, der mit seiner eingängigen, von Slide-Gitarre und Mundharmonika untermalten Melodie für feuchte Augen sorgt.

Auf ihrer neuen Platte zeigen Alcoa, dass sie auch andere Musikstile abseits des Country/Folk beherrschen, lehnen sich dabei aber nicht zu weit aus dem Fenster. Aufgrund der vielen Variationen wirkt ‚Parlour Tricks‘ weniger konsistent als ‚Bone & Marrow‘. Es ist für jeden Indie-Freund etwas dabei, nur halt unter Umständen nicht genug von dem, was sich der eine oder andere erhofft haben mag. Thematisch macht das jüngste Album ebenfalls einen Sprung. Während den Sänger im Vorgänger seine Verfehlungen und die Suche nach seinem Platz im Leben umtrieben, dreht sich in ‚Parlour Tricks‘ nun alles um Freundschaft und das Suchen und Finden des signifikanten Anderen, was nicht zuletzt mit der Eheschließung Archambaults zu tun haben dürfte. Auch hier wieder: Geschmackssache. Im Großen und Ganzen ist Alcoa mit ‚Parlour Tricks‘ eine musikalisch gute Zusammenstellung gelungen, die inhaltlich aber zuweilen etwas seicht daherkommt.

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