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Aufsteh’n

Schon fast als legendär ist die Berliner Punk-Kapelle Die Skeptiker zu bezeichnen. Schließlich machen sie doch abwechslungsreichen, klischeefreien Deutschpunk mit anspruchsvollen, satirischen Texte und haben mit Eugen Balanskat einen der eigenständigsten und eigenwilligsten Sänger der Szene auf ihrer Seite. „Aufsteh’n“ (Destiny Records) ist wiedermal ein Album geworden, das sehr viel Spaß macht, Musik, Texte, Abwechslung alles stimmt.

Schon der Auftakt kann als gelungen bezeichnet werden. Der Einstieg ist mit „Wann oder wie“ ein typischer Skeptiker-Song geworden: flotter Deutschpunk mit einem schwungvollen Refrain. Sie schreiben eben so coole Songs wie diesen, der einfach sofort ins Ohr geht. Weiter Spaß bereitet einem „Chanel“, der sich süffisant mit der falschen Selbsteinschätzung mancher Erdbewohner lustig macht und dabei wieder ein einprägsamer, tanzbarer Punkrock-Hit ist. Punkrockig geht es mit dem einfachen „Erwartung“ weiter, bevor der Titelsong als volksmusikalischer Punkrocker samt Quetschkommode und Polka-Rhythmus zum „Arsch hoch kriegen!“ aufruft. Ernsthaft wird es mit „Das System“, das uns alle auffrisst, dem wir aber trotzdem treu bleiben. Musikalisch im Stakkato-Schritt ist der Song trotz des Refrains zum Mitsingen eher düster verglichen mit dem nachfolgenden „Traum“, der flott und heiter über menschliche Beziehungen sinniert.

Hoch die roten Fahnen – „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Ein wenig Kampf schadet nie, auch wenn nur kleine Dinge dabei raus kommen, obwohl man mit der Maximalforderung die Stiefel geschnürt hat. Das Ziel bei allen Kompromissen nicht aus den Augen zu verlieren, ist die Kunst. Mit lockerem, waschechtem Reggae als die Musik der unterdrückten farbigen Sklaven führen uns Die Skeptiker noch einmal vor Augen, dass auch wir Deutschen eine unrühmliche imperialistische und koloniale Vergangenheit haben und heute auch noch so handeln. Die Dritte Welt wird mit Billigimporten überschwemmt, so dass dort die landwirtschaftliche und industrielle Infrastruktur zusammenbricht. Hauptsache wir werden unseren Überfluss und Wohlstandsmüll los. Klasse Lied!

Punkrock, Reggae, Rockabilly, Tanznummern – das sind Die Skeptiker

The Jam-like rocken Balanskat und die Truppe lässig weiter, um mit „Vergebung“ allen, die sich schützen, noch vor dem Papst mit etwas Rockabilly, Vergeben zu erteilen. Mit beschwingtem Rhythmus schmettert man gleich noch eine weitere Tanznummer, die einem den Glauben an den Punkrock nicht verlieren lässt. Musikalisch und textlich der anspruchsvollste Song ist „Meer von Grün“, der ruhig und mit unterschwelliger Wut das Verhalten der Staatsmacht in grün bei vielen Demos damals und heute ohne platte Parolen reflektiert. Ganz starkes Lied, ein Kandidat für den Song des Jahres. „Niemals mehr“ bildet nach 40 Minuten den akustisch wehmütigen Ausklang einer ganz starken Punkrockscheibe.

Die Skeptiker hatten ihre Phasen, vom rohen Punkrock über eine heftige Metallkante hin zum eigenen Freischwimmer in Sachen deutschsprachigen Punkrock. Die Schublade Deutschpunk reicht inzwischen nicht mehr, um das Universum dieser Band zu beschreiben, da auf erfrischend lockere Art und Weise mit allen möglichen Stilen und Inhalten gespielt wird und dabei nie die Punk-Attitüde zu kurz kommt. Wenn sich Musik und Text die Balance halten, dann kam man getrost von einem ausgezeichneten Album sprechen, was im Falle „Aufsteh’n“ zutrifft.

Homepage der Skeptiker

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