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Akróasis

Obscura hatten im letzten Jahr Seifenoper-Phasen. Zuerst stiegen Gitarrist Christian Münzner und Schlagzeuger Hannes Grossmann aus, um ihre eigene Band Alkaloid zu gründen. Nachfolger Tom Geldschläger stieg bereits im vergangenen Juli während der Aufnahmen des Albums wieder aus der Band aus. Nicht ganz in gegenseitigem Einvernehmen, wie man diverse Äußerungen in den sozialen Medien deuten kann. Die blieben zwar im Detail vage und beide Seiten betonten, keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen zu wollen – ein harmonischer Weggang sieht allerdings anders aus. Nun ist das neue Album nach dem übergroßen Vorgänger „Omnivium“ von 2011 endlich da. „Akróasis“ ist ein großes Album – zumindest wenn man progressivem Death Metal etwas abgewinnen kann. Von den diversen Querelen hinter den Kulissen ist nichts zu spüren.

Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass nichts dem Zufall überlassen wurde. Vom musikalischen über das lyrische bis zum optischen Konzept – Obscura arbeiteten erneut mit dem US-Künstler Orion Landau zusammen – ist alles aus einem Guss. ‚Sermon of the Seven Suns‘ eröffnet das Album mit einem choralen Intro, dann setzt ein thrashiges Riff ein und schliesslich setzt Drummer Sebastian Lanser komplexes Spiel und der brüllende Gesang von Steffen Kummerer ein. Ein stimmungsvoll-ruhiges akustisches Zwischenspiel mündet in ein extrem komplexes Solo. Was für ein Song, was für ein Einstand! ‚The Monist‘ ist geradliniger, aber nicht weniger geil. Ein treibendes Riff und derbe Growls schaffen eine beklemmende Stimmung, die von antagonierenden weiblichen Background-Vocals noch verstärkt wird. Ein abgefahrenes Gitarrenriff in der Mitte muss auch wieder sein – ist klar. Die Soli von ‚Ten Sepiroth‘ erinnern an die neoklassischen Gitarrenkunststücke von Malmsteen. Aber der Song beschränkt sich nicht darauf, sondern bietet wie die anderen Stücke auch Vielseitigkeit in punkto Stimmung, eine sich erst auf den zweiten Blick erschliessende Komplexität bei Rhythmik und Melodik. Aufregend, das. ‚Perpetual Infinity‘ erzeugt erneut mit akustischen Gitarren und elektronisch verfremdetem Gesang eine rätselhafte Spannung, bevor thrashig das Gaspedal durchgedrückt wird.

Das 15-Minuten-Opus ‚Weltseele‘ am Ende des Albums ist durchsetzt von Cello-Passagen und gruselig schönen, gesprochenen Lyrics. Der Song als Ganzes ist aber letzlich ein überirdischer Mix aus Jazz und Death-Metal mit orientalischen Elementen. Extrem spannend und herausfordernd, aber nix für Easy-Listening-Ohren. Letztlich trifft das für das gesamte Album zu, dem auf Vinyl und CD noch je ein unterschiedlicher Instrumental-Bonus-Track hinzugefügt wurde. Freunde von anspruchsvoll-emotionalem Death-Metal werden Schaudern vor Wohlgefühl. Obscura sind so gut wie eh und je.

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