Long Night’s Journey Into Day
Nach dem Abgang von Ray Alder fragten sich vermutlich nicht wenige Fans, wie und ob es mit Redemption weitergehen würde. Die Fates Warning-Stimme war über die letzten Jahre schliesslich zu einem unverkennbaren Trademark von Redemption geworden. Aber, keine Angst: mit Evergrey-Frontmann Tom Englund hat sich die Band einen fraglos adäquaten Ersatz ins Boot geholt, der auf dem neuen Album „Long Night’s Journey Into Day“ einen natürlich! – exzellenten Job macht.
In der Tat könnte man sogar sagen, dass Englund noch besser ins Konzept von Redemption passt als sein Vorgänger – klangen Redemption doch schon immer irgendwie nach einer einer weniger düsteren, schwungvolleren Version von Evergrey, nicht nur wegen der prägnanten Pianoeinsätze. Genau dieses Konzept findet nun durch die charismatische Stimme ihre Vollendung. Englund singt weniger melancholisch als bei seiner Hauptband, die Riffs sind noch ein wenig Echt-Metall-lastiger, aber ansonsten findet man hier exakt den Stoff, der sowohl Redemption- als auch Evergrey-Fans feuchte Träume beschert. Ach, und alten Kamelot- und Dream Theater-Fans vermutlich auch. Redemption schreiben den Metal im Prog Metal nämlich ziemlich groß, und sämtliches (durchaus vorhandenes) Gefrickel findet im Rahmen der Songs statt. Die werden alle von den höchst einprägsamen Gesangsmelodien getragen und von den erfreulich achtzigerlastigen Leadgitarren abgeschmeckt, die nicht selten an den Sahnesound von George Lynch erinnern, dabei aber niemals in nervige Selbstzweck-Orgien verfallen. Selbst Longtracks wie ‚Echo Chamber‘ oder das Titelstück bleiben aufs erste Hören nachvollziehbar und verfügen über ein ziemlich hohes Energielevel, auch wenn im Titelsong um die Zwei-Minuten-Marke ordentlich bei Rushs ‚Natural Science‘ abgekupfert wird. Nur die Pianoballade ‚And Yet‘ nimmt das Tempo etwas heraus und überrascht mit einer an Spätachtziger Depeche Mode erinnernden Strophenmelodie, bevor im Refrain doch wieder klassischer Progmetal-Stoff mit Späte-Savatage-Flair geboten wird. Selbst das U2-Cover ‚New Year’s Day‘ ist zwar der schwächste Song des Albums, aber beileibe kein Totalausfall, den man vom Experiment „Metalband spielt U2“ mittlerweile ja erwarten kann (löbliche Ausnahme: Queensryches ‚Bullet The Blue Sky‘). Redemption bleiben sowohl dem Original als auch dem Bandsound treu, wobei Englund natürlich dem jungen Bono in Sachen Intensität nicht das Wasser reichen kann und das Arrangement einfach ein wenig „too busy“ für einen derart spartanischen Song ist.
Die Zusammenarbeit der Genregrößen auf „Long Night’s Journey Into Day“ ist aber für alle Fans der Band (und von Englund) ein klarer Gewinner. Aber auch Nicht-Fans, die songorientierten, kraftvollen und von allen Indie- und Alternative-Einflüssen befreiten Progmetal mögen, sollten sich Redemptions Neue vormerken – ob es wirklich das „beste Redemption-Album überhaupt“ ist, bleibt im test of time zu entscheiden, aber als das in sich geschlossenste und reifste Album der Band kann man es schon jetzt bezeichnen. Fein!