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25

Es ist das wohl meisterwartete Album des Jahres. Wenn Soul-Diva Adele zu Papier und Stift greift, um einen Song zu schreiben, horcht mittlerweile die halbe Welt auf. Jetzt bringt sie gleich elf Stück en bloc raus – ’25‘ heißt ihr neues Album. Wie bereits bei den beiden Vorgängeralben zeigt der Plattenname das Alter an, in dem Adele mit der Aufnahme angefangen hat. Und wenn jemand mit 25 Jahren bereits zehn Grammys, einen Oscar und über 50 Millionen verkaufte Tonträger verbuchen durfte, dann dürfen Kritiker und Fans zu Recht gespannt sein, was sie nach vier Jahren Albumpause serviert bekommen.

Die erste Single ‚Hello‘ liefert auch gleich zu Beginn der Platte eine Überraschung, die möglicherweise gar keine ist. Bekanntlich covert Adele pro Album einen Song in ihrem eigenen Stil: Bei ’19‘ war es ihre wundervolle Variante des Bob Dylan-Songs ‚Make You Feel My Love‘ als Piano-Ballade, die wohl noch bekannter als das Original wurde. Auf ’21‘ durften sich The Cure geehrt fühlen, nachdem die Britin ihr ‚Lullaby‘ zu einem zarten, akustischen Gitarren-Gutenachtlied verwandelte. Was würde Adele sich diesmal rauspicken? Getroffen hat es scheinbar Lionel Richie und sein unsterbliches ‚Hello‘.

Nur kann man diesmal nicht mehr von einem Cover, auch wohl kaum von einer Hommage, sondern vielmehr von Raub sprechen. Es verwundert, erschüttert und belustigt zugleich, wie nahe ihr gesungenes ‚Hello‘ Richies Melodie kommt. Doch schon bald nach dem ersten Schmunzeln entfaltet sich Adeles ganze Stimmgewalt. Und anders als Lionel Richie singt sie nicht romantisch und sehnsüchtig, sondern eher zaghaft, entschuldigend, verletzt. Mit einem langsamen, minimalistischen Klaviereinstieg bis hin zum monumentalen Refrain mit Streichern, Drums und Chor reißt ihre Stimme den Song komplett mit und ist wie für ihn geschaffen. Unter dem Strich allerdings steht eine ordentliche Pop-Ballade, die messbar weniger Charme und Charakter besitzt als die alten Nummern.

Und da wir gerade von Diebstahl sprachen: Auch beim zweiten Titel ‚Send My Love (To Your Lover)‘ muss man fast schon den Kopf schütteln, wie krank die Nummer an ‚Royals‘ von Lorde erinnert. Auch hier sind Rhythmus, Beat und Melodieteile offensichtlich kopiert. Um hier von einer Hommage sprechen, ist Lorde noch zu frisch im Geschäft. Sogar sich selbst kopiert Adele: ‚All I Ask‘ nämlich ist schlichtweg ‚Someone Like You‘ 2.0.

Die authentische Ader steigert sich dann zum Glück von Song zu Song: Während die Soul-Ballade ‚When We Were Young‘ bereits schon mehr an den ’21‘-Stil erinnert, taucht mit ‚Water Under The Bridge‘ der erhoffte neue Sound auf, den man ihr trotzdem absolut abkaufen kann. Mit einer konstanten funky E-Gitarre à la The 1975 präsentiert sie einen neuartigen, wuchtigen Dance-Beat gepaart mit einem sehr befreienden, euphorischen Charakter, wodurch der Track zum besten des Albums avanciert. Und auch das darauf folgende ‚River Lea‘ begeistert mit smoothem, tiefem Gesang und einem stolzen Marschieren in Richtung R’n’B. In ‚Million Years Ago‘ liefert Adele ein traditionelles Lagerfeuer-Wiegenlied und schafft somit ihr eigenes ‚Lullaby‘, bevor sie zum Abschluss noch mal groß auffährt: ‚Sweetest Devotion‘ vereint einen schwungvollen irischen Touch mit Gospel. Bei dieser wundervollen Kombination legt man sich als Hörer entspannt in den Sound rein und wird sofort mitgerissen. Damit schließt ’25‘ mit einer versöhnlichen Power ab.

’25‘ beherbergt letztlich einige Überraschungen für Kritiker als auch Fans, sowohl positive als auch negative. Zum einen fällt auf, dass sich die Stimme der Britin von Album zu Album technisch steigert und klanglich reift. Zum anderen ist die Platte auf jeden Fall facettenreicher als ’21‘, kommt aber nicht ganz an die Verspieltheit von ’19‘ – ihrem besten Album – ran. Die zweite Albumhälfte kompensiert zum Glück, was die erste leicht verbockt. In der man Adele kaum wiedererkennt. Oder besser gesagt, wiedererkennen wollte. Doch das ist Meckern auf hohem Niveau. Sicher dürfte nämlich sein, dass Adele mit ’25‘ als Debütalbum sicherlich genauso steil gestartet wäre wie bereits vor sieben Jahren.

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