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Escape & Frontiers Live In Japan

Eigentlich sind Livemitschnitte von „Complete Album Performances“ selten besonders reizvoll – visuell interessant umgesetzte Konzeptalben einmal ausgenommen. Dass die AOR-Götter Journey nun mit ihrem aktuellen Album ihre Frühachtziger-Hitscheiben „Escape“ und „Frontiers“ komplett und live präsentieren, ist aber für Fans durchaus interessant: Journey sind nämlich in den letzten Jahren eher dafür bekannt, bei jeder Show eine nur minimal variierte „Greatest Hits“-Auslese zu spielen, die Aussicht, die deshalb für gewöhnlich nicht gespielten Deep Cuts der beiden Klassikeralben zu hören, klingt somit fraglos enorm vielversprechend.

Besonders interessant ist natürlich, dass dank der Rückkehr von Drummer Steve Smith tatsächlich – mit Ausnahme von Ex-Sänger Steve Perry, versteht sich – das Line-Up auf der Bühne steht, das die Alben auch eingespielt hat. Musikalisch ist also absolut alles genau so, wie man das hören will – auch wenn’s die Piano-, Drum- und Gitarren-Soloparts eigentlich nicht gebraucht hätte: die Songs bieten Jonathan Cain (keys/gtr), Neal  Schon (gtr) und Steve Smith eigentlich schon genug Raum, ihr Können zu demonstrieren. Steve Perry wird einmal mehr von Arnel Pineda vertreten, der mittlerweile auch schon seit zwölf Jahren für Journey das Mikro schwingt. Im Vergleich zu früheren Gigs scheint Arnel, der trotz seiner 51 immer noch wie ein Boygroup-Mitglied aussieht, etwas entspannter geworden zu sein, das Energiebündel wuselt nicht mehr ganz so hoch- bis übermotiviert über die Bühne. Allerdings ist die stimmliche Performance des Sympathieträgers diesmal, anders als beispielsweise noch auf „Live In Manila“, durchaus etwas streitbar. Arnel hat sich mittlerweile angewöhnt, gerade bei den ruhigen Songs ein etwas übertriebenes, an Broadway-Musicals erinnerndes Pathos in die Stimme zu legen, was den im Original meist eher soulig angelegten Melodielinien nicht sonderlich gut zu Gesicht steht. Bei einigen Songs (‚Faithfully‘!) wurde so deutlich hörbar mit Autotune nachgeholfen, dass es sich leider zum akustischen Störfaktor entwickelt. Nun, gehen wir einfach davon aus, dass er einen schlechten Tag erwischt hatte – Arnels Beitrag zum Energielevel und der generellen Attraktivität der Band sollte man nämlich nicht unterschätzen. Einzige echte Schwachpunkte der DVD/CD sind auch die Momente, in denen der Gastkeyboarder (!) den Leadgesang übernimmt – fraglos ein ordentlicher Sänger, der alle Noten sauber trifft, aber mit der Gesichtslosigkeit eines DSDS-Kandidaten agiert.

Wie oben erwähnt, freut man sich als langjähriger Fan natürlich hauptsächlich auf die selten gespielten Songs. Mit Ausnahme des erwähnten ‚Lay It Down‘ fand man die „Escape“-Songs ja relativ regelmäßig in konventionellen Toursetlists, die wahren Highlights sind also die vertrackten, progressiven Songs der zweiten LP-Seite von „Frontiers“, die schon auf der ursprünglichen  Tour zum Album nur unregelmäßig gespielt wurden. Da muss man nun schlucken, dass „Frontiers“ nicht komplett ist: ausgerechnet das epische ‚Troubled Child‘, bei diesen Shows zu ersten Mal überhaupt live gespielt und vielleicht sogar der beste Song des Albums, unterschlägt die Band nämlich. Das dürfte aber nur die Hardcore-Fans der Band stören. Die beiden Alben haben ja auch jede Menge an reinrassigem Hitmaterial für den Rest der Welt zu bieten: ‚Don’t Stop Believin“ , ‚Seperate Ways‘, ‚Who’s Crying Now‘, ‚Open Arms‘, ‚Stone In Love‘ , ‚After The Fall‘ – alles Songs, die auch den Gelegenheitsfan genauso zufrieden stellen werden wie den Journey-Nerd. Als Zugaben gibt es die B-Seite ‚La Raza Del Sol‘, die die Band in bester Latin-Fusion-Laune inklusiver ausgedehnter Jam zeigt und den unkaputtbaren Singalong ‚Lovin‘ Touchin‘ Squeezin“. Journey treffen vermutlich von allen puren AOR-Bands die Schnittmenge aus kommerziellen Melodien, knackigem Rock und musikalischem Anspruch am Exaktesten – und gerade die Songs von „Escape“ und „Frontiers“ sind dafür der beste Beweis.

Die knapp über zwei Stunden sind also – mit Ausnahme einiger Schwächen im Gesangsdepartment – also absolut kurzweilig geraten und sollten jeden Fan der Band bestens unterhalten. Visuell gibt’s wenig Schnickschnack, weder in Sachen Bühnenaufbau noch im filmischen Sinn: hier regiert die Musik, und die wurde solide, unaufgeregt und somit absolut passend abgefilmt. Für Journey-Fans ist das gute Stück also ohne Frage eine absolute Pflichtveranstaltung.

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