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Watchers Of Rule

„Dat is‘ Metalcore aus Amiland!“ Diesen Satz habe ich bei diversen Festivals schon ein paar Mal gehört, als sich Zuschauer neben mir über die Band unterhielten, die als nächstes die Bühne betreten wird und deren Kurzbeschreibung auf der aufgeschlagenen Seite des Festival-Programmheftes steht. Unearth haben sich einen Namen als Metalcore-Band gemacht. Sie waren vor Jahren der frische Wind in diesem Genre. Heute gehören sie irgendwie nicht mehr dazu, dabei hat sich ihr eigener Stil nicht entscheident verändert. Metalcore hat sich verändert! Bands wie Parkway Drive, Architects oder The Ghost Inside haben dieses schon immer recht undefinierte Genre für sich annektiert. Unearth waren anders und blieben es auch. Heutzutage würde man die Band wohl endgültig in die Metalecke stellen. Auch ihr neues Werk ‚Watchers Of Rule‘ passt nicht in die heutige Metalcore-Schublade. Unearth bedienen sich der Stilmittel, die sie groß machten: Tempo, Kompromisslosigkeit und virtuose Gitarrenstürme. Unearth ist eine Metalband, noch dazu eine sehr gute. Schon nach dem kurzen Intro geben die Amerikaner mit ‚The Swarm‘ gleich zu Beginn Vollgas. Das Intro ist schon nach Sekunden vergessen. ‚The Swarm‘ lässt keine Verschnaufpause zu. Erst im dritten Song ist das zu hören, dass als Intro in das Album führen sollte. In ‚Lifetime In Ruins‘ ist zu Beginn nur die Double-Bassdrum zu hören, die von der Gitarre begleitet wird. Es wirkt, als marschiert eine ganze Armee auf einen zu und bricht jeden Moment durch die Wohnzimmerwand.

Unearth kommen ohne Breakdowns oder andere typische Stilmittel des heutigen Metalcore aus. Die Amerikaner machen viel, aber nicht zuviel. Trotz der unzähligen Fideleien der beiden Gitarren und den ausschweifenden Drumparts, gepaart mit beinahe stetiger Double-Bass-Dröhnung, wirken die Songs vollkommen rund und durchaus greifbar. Was die Songstruktur angeht bleiben Unearth recht klassisch (Intro-Strophe-Refrain-Strophe-Bridge-Refrain), was Platz für diese Fideleien bietet, ohne den Song undurchsichtig und unnötig kompliziert klingen zu lassen. Durch den vergleichsweise einfachen Aufbau der Songs kommt auch die brachiale Gewalt nahezu in jeder Sekunde des Albums voll zum Ausdruck. Wer hier auf ruhige, atmosphärische Songs oder sogar Clean-Vocal-Parts wartet, wartet vergeblich. Ähnlich einem Slayer-Album gibt es keine Pausen. Das Album juckt und kratzt, und hört nicht auf, bis das ‚Blut fließt‘, um im Metal-Jargon zu bleiben. Unearth machen Tempo, Tempo, nehmen es kurz heraus, um den Gitarren mehr Platz zu bieten und dann? Tja, dann machen sie wieder Tempo. Auch Shouter Trevor Phipps gönnt sich kaum eine Pause. Unermütlich schreit er seine Zeilen heraus, ohne ein Anzeichen von Menschlichkeit zuzulassen. In ‚Never Cease‘ verstummt er kurz und spricht seinen Text danach fast leise ins Mikrofon. Wenn Trevor Phipps das tut, klingt das allerdings so, als würde ich versuchen, so laut wie möglich zu schreien.

Unearth haben wieder einmal ein brachiales Metal-Werk geschaffen, dass nichts mehr im Metalcore, dafür aber aus dem großen Höllenloch, auch schlicht ‚Metal‘ genannt, nicht mehr wegzudenken ist. Bei diesen Song ist die Verausgabung der Besucher bei einem Konzert nach einer halben Stunde garantiert.

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