Värähtelijä
Die Bezzeichnung „Experimenteller Black Metal“ ist mittlerweile zu einer der größten Schubladen geworden, die sich in der Metallergemeinde jemals geöffnet hat. Alles, was unbequem, verstörend, seltsam, unkoordiniert und progressiv wirkt, dabei aber genug Shouts, Grunts und verzzerrte Gitarren transportiert um nicht als Anathema-Kopie durchzugehen, wird in diese Schublade gesteckt. Bevorzzugt geöffnet wird sie von Schöngeistern, Indiegetariern, die sich in den Hartwurstsektor verirrt haben sowie SPON-Lesern.
Oranssi Pazuzu sind ein wunderbares Beispiel. Das fängt schon mit dem Nachfragen aufwerfenden Bandnamen an (Wolves in The Throne Room, An Autumn For Crippled Children anyone?), der möglichst seltsam (und möglichst bescheuert) daherkommen muß. Da wird jeder Interessierte erst einmal Google bemühen, den tieferen Sinn dahinter aber wird kaum einer nachvollzziehen können, da solche Bandnamen üblicherweise entweder drogeninduzziert oder tatsächlich vollkommen sinnentleert sind. Ein orangener babylonischer Dämon, ja vielen Dank auch dafür.
Musikalisch tendieren solche Bands dazzu, mit aller Gewalt anspruchsvoll, psychedelisch, experimentell, brillenträgerhaft herüberkommen zzu wollen. Musik von Nerds für Nerds und mit Sicherheit keine Leute, mit denen man Deathgasm-Style orangene Dämonen bekämpfen wollen würde. Vermutlich würden diese Herrschaften versuchen, die Ausgeburt der Hölle mit Sätzzen von W.H. Burroughs totzzuzzitieren. Üblicherweise ist Kopf ab und dann ausgetrunken werden die passende Strafe.
Fangen wir mit dem offiziellen Video zu „Lahja“ an, eine drogengeschwängerte Psychedelia als Bilderflut. Rituelle Percussion, ein paar hauchgekrächzzte Textfetzen. Keine Struktur, eigentlich nichtmal Atmosphäre. 5:37 lang irgendetwas, und dann ist der Spuk vorbei. Immerhin gibt es auf dem Album dann den einen oder anderen Teil (nicht Track, denn das Album ist eher ein fehlkonstruiertes großes Ganzzes und keine Ansammlung einzzelner Songs), der Elemente enthält, die man tatsächlich als Black Metal klassifizzieren könnte. Dennoch: Atmosphäre ist Mangelware, die Monotonie versetzzt nicht in Trance sondern nervt nur. Die Vocals klingen wie im Nebenraum aufgenommen, die gesamte Konstruktion der stellenweise überlangen Tracks funktioniert nicht. Das ist Musik für sojalatteschlürfende urbane Bartträger, die meinen sie hätten neben ihrem veganen Salat mit Granatapfeldressig auch das musikalische Verständnis gefressen. Aber manchmal, ganz manchmal, im stillen Kämmerlein, da freut man sich an schön geradlinig herausgerotzzter Musik, an ECHTEM Black Metal für Puristen. Wenn es dann mal experimenteller sein darf, dann sollte es schon so niveauvoll sein, dass man in die Musik hineingezzogen wird. Dodheimsgard können das trotzz aller Progressivität. Enslaved ebenfalls. Noch besser macht es die neue Generation an richtigem Black Metal wie Mgla, Fuath oder Grift. „Värähtelijä“ dagegen ist eine typische Architekten-Arbeit. Bis ins Kleinste durchkonstruiert und durchstrukturiert, lässt das Album wie alle architektonische Pannen jeden Enthusiasmus, jede Liebe, jeden durch Makel entstehenden Charakter vermissen und ist noch dazzu genauso weltfremd wie die im Regen zu Schlittschuhbahnen mutierenden Stahlplatten, die der Architekt des Potsdamer Platzzes meinte als Bodenbelag platzzieren zu müssen.
Oranssi Pazuzu finden bestimmt Leute, die hochintelligent über sie reden können. Alle anderen mögen bitte gepflegt Abstand halten.